Das sorgt für vibrierende Spannung im Kulturhauspark

Kultur / 19.08.2022 • 07:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Jeanne-Marie Bertram als Antigone. Die Produktion des Ensembles Unpop ist von enormer politischer Relevanz. <span class="copyright">Caro Stark</span>
Jeanne-Marie Bertram als Antigone. Die Produktion des Ensembles Unpop ist von enormer politischer Relevanz. Caro Stark

Ensemble Unpop hat mit „antigone. ein requiem“ von Thomas Köck alles auf den Punkt gebracht.

Dornbirn Das Stück ist von politischer Relevanz und aktuell wie kaum ein anderes, das von deutschsprachigen Autorinnen oder Autoren in letzter Zeit geschrieben wurde, der Platz ist wie geschaffen für Theater unter freiem Himmel und die Schauspielerinnen und Schauspieler sind in der Lage, einen Text, der kaum eine der Aktionen zulässt, die auf Open-Air-Bühnen oft einmal angesagt sind, derart zu vermitteln, dass der Raum vor Spannung vibriert. Kurzum: Das Ensemble für unpopuläre Freizeitgestaltung (Unpop) hat für die Aufführung im Dornbirner Kulturhauspark „antigone. ein requiem“ von Thomas Köck gewählt und präsentiert das 2019 in Hannover uraufgeführte und 2020 auch am Wiener Burgtheater gespielte Werk in einer Deutung, die alles auf den Punkt bringt, was drinnen steckt und sogar noch ein wenig mehr.

<p class="caption">Das Ensemble ist in Hochform. <span class="copyright">Caro Stark</span></p>

Das Ensemble ist in Hochform. Caro Stark

Weiß, aber individuell heutig gekleidet, lässt Regisseur Stephan Kasimir die Protagonisten ihr jeweiliges Tempo finden, und Ausstatterin Caro Stark käme vermutlich erst gar nicht auf die Idee, der Bühne oder den Kostümen eine Antikensymbolik zu verpassen, zu der hie und da gegriffen wurde. Wie in fast jedem antiken Drama hat auch hier ein Chor aufzutreten. Dass er von den einzelnen Solisten gebildet wird, ist ob des Themas gewagt, aber es funktioniert perfekt mit einer Bewegungschoreografie, nach der die jeweils sprechenden Personen ins Zentrum rücken. Aktionen braucht es nicht in dieser ausgeklügelten Personenführung, die beweist, dass Kasimir nicht nur der Präsenz seiner Künstlerinnen und Künstler vertraut, sondern auch ihrer Fähigkeit, einen feinen trockenen Humor einfließen zu lassen, der verhindert, dass der Text ins Klagende oder in den Betroffenheitskitsch kippt.

Die Voraussetzung dazu wäre schließlich gegebenen. In der Adaptierung der Tragödie „Antigone“ von Sophokles durch den Österreicher Thomas Köck widersetzt sich die junge Frau dem Gesetz des Kreon nicht mehr nur dadurch, dass sie ihren Bruder gegen dessen Anweisungen bestattet, sondern, dass sie sich dagegen wehrt, jene Tote, die in Theben tagtäglich angespült werden, einfach beiseite zu schaffen. Sie mahnt Verantwortung und humanes Handeln ein und sitzt auch deswegen auf dem kürzeren Ast, weil es sich die meisten mit dem Neoliberalismus von Kreon bereits hübsch eingerichtet haben und da stören die Toten eben: „Wertfrei vertrete ich eure Werte. Vielleicht braucht es ein sensibleres politisches System, das mehr auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten ist, ein Slim-Fit-System.“

Ronald Kuste als Kreon im Bagger. <span class="copyright">Caro Stark</span>
Ronald Kuste als Kreon im Bagger. Caro Stark

Dass das Stück nicht nur von Argumentation und Gegenargumentation lebt, weil sich die „postdemokratische Message Control“ von Kreon schnell entlarvt, wird von der Regie gut erkannt, die charakterlichen Strukturen der Protagonisten schwingen deshalb mit. Das zeigt Julia Carina Wachsmann so schön als korrumpierte Ismene. Nicola Trub vermittelt bestens die Schwäche der die Lage durchaus erkennenden Eurydike. Simon Alois Huber, der sich als Haimon nicht durchsetzt, bringt aber eine gute Farbe in Spiel. Peter Badstübner wird in der Tragik des Sehers Teiresias zum Antihelden und Maria Fliri ist als Botin in der Lage, die größte Tragödie und den ungebändigten Witz souverän zu koppeln. Ronald Kuste (Kreon) tritt als Person auf, die ihre Macht erst gar nicht betonen muss. Sie hat sie. Es ist eine großartige Regieidee, die Gefährlichkeit eines solchen Menschen bzw. eines solchen Systems im Spiel so subtil zu zeigen, dass sein Auffahren mit einem Bagger erst gar nicht als brachial empfunden wird. Jeanne-Marie Bertram spielt als Antigone einen Argumentationstrumpf nach dem anderen aus. Er scheint nicht erkannt zu werden oder ist einfach zu unbequem. Durch eine leichte Drehung der Aktion bleibt der Schluss an sich offen. Das ist gewiss nicht plakativer als es in einem Freiluftsetting sein darf. Es ist treffend und dürfte auch wirken, wenn das Ensemble Unpop wegen der Witterung eine Aufführung ins Lustenauer Freudenhaus verlegen muss. Übrigens: Auf den Bagger braucht dort nicht verzichtet zu werden.

Maria Fliri als Botin. <span class="copyright">Caro Stark</span>
Maria Fliri als Botin. Caro Stark

„antigone. ein requiem“ wird noch vom 20. bis 24. August, täglich 20.30 Uhr im Kulturhauspark in Dornbirn aufgeführt. Wetterinfo auf unpop.at