Schubert zum Hausgebrauch

Mit Klavierfassungen großer Orchesterwerke wurden neue Strukturen offengelegt.
SCHWARZENBERG Im 19. Jahrhundert gab es neben Konzerten in Ermangelung anderer Möglichkeiten die längst aus der Mode gekommene Hausmusik, um bestimmte Werke kennen zu lernen und populär zu machen. Dazu gehörten auch die damals schon populärsten Symphonien Franz Schuberts, die „Unvollendete“ Nr. 7 und die „Große C-Dur“ Nr. 8, die geschickte Arrangeure quasi zum Hausgebrauch vom großen Orchester auf eine vierköpfige Besetzung mit Klavier zu vier Händen, Violine und Violoncello übertragen haben. Längst vergessene Raritäten, mit denen Gerd Nachbauer am Donnerstag seine Schubertianer überraschte und im zweiten Werk sogar eine Erstaufführung bei diesem Festival ermöglichte.
Das ebenso sympathische wie überzeugende Klavierduo der Israelin Yaara Tal & und des Deutschen Andreas Groethuysen, seit 1994 im Stammpersonal des Festivals, ist dafür die Idealbesetzung, kompetent mitgetragen von der südkoreanischen Geigerin Ye-Eun Choi und der Münchner Cellistin Raphaela Gromes. Natürlich ist ein solches Unterfangen nicht ohne Risiko, wie sich an den beiden Beispielen zeigt. Es geht darum, die wichtigsten Stimmen und Themen eines Werkes möglichst ohne Reibungsverluste einzudampfen und dabei vor allem dessen Charakter zu wahren. Dies ist rückblickend dem Dresdner Musiklehrer Carl Burchard in der „Siebten“ weit weniger geglückt als dem Dresdner Geiger Friedrich Hermann in der „Achten“ mit ihren „himmlischen Längen“.
In der Umsetzung der „Unvollendeten“ erkennt man trotz kompakten Zusammenspiels, schöner Cellokantilenen und Violineinsätzen mit gebremstem Vibrato eine wenig inspirierte Routinearbeit, die Schuberts Genius und seiner unbarmherzigen Dramatik in diesem Werk kaum gerecht wird. Dagegen wird in der C-Dur-Symphonie mit dem „Götterfunken“-Zitat aus Beethovens „Neunter“ ein Feuer entzündet, das gerade in dieser kammermusikalisch glasklaren und schnörkellosen Reduktion ganz schön lodert, sich in den schnellen Sätzen oft beängstigend Platz verschafft und im Andante einen Ruhepunkt setzt, bei dem nun die Violine brillant das berühmte Oboensolo übernimmt. Die Musiker haben, auch wenn sie in den schnellen Sätzen oft fast an ihre Grenzen kommen, selber den größten Spaß an dieser Version der „Achten“, die wie das Original ein wirkliches Meisterwerk ist. Und erst das entdeckungsfreudige Publikum, das die Interpreten ebenso bejubelt wie Schubert.
Vollgültige Klavierfassung
Ähnliches begibt sich im Abendkonzert mit Gustav Mahlers „Das Lied von der Erde“, im Original ein Orchesterwerk. Die verwendete, vom Komponisten selber aus der Orchesterpartitur angefertigte vollgültige Klavierfassung ist weit mehr als ein sogenannter Klavierauszug der einzelnen Instrumente und deshalb wegen ihres enormen Schwierigkeitsgrades bei Pianisten gefürchtet. Der Kanadier Marc-André Hamelin, einer der größten Klaviervirtuosen unserer Zeit, ist der Mutige, der sich ohne Scheu diesem Werk stellt und eine fantastisch detailreiche, auch emotional großartig differenzierte Version vorlegt, für die er am Schluss einen Extraapplaus erhält. Die sechs Lieder nach Bethges „Die chinesische Flöte“ sind das, was man gemeinhin als „schwere Kost“ bezeichnet, ein Ausbund an Weltenschmerz und das persönlichste Werk Mahlers überhaupt. Mit der Litauerin Violeta Urmana, Mezzosopran, die das Werk bereits 2000 hier zusammen mit Jonas Kaufmann gesungen hat, und dem slowakischen Tenor Pavol Breslik sind die Gesangspartien glänzend und rollendeckend besetzt und hinterlassen durch ihre stimmliche und darstellerische Intensität ungemein starken Eindruck.
