Warum nicht mit Kindern über Rassismus sprechen?

Autorin und Journalistin Saskia Hödl las aus ihrem Kinderbuch “Steck mal in meiner Haut”.
Bezau Dem Wunsch, noch vor der Lesung eine Tasse Kaffee trinken zu können, machte der traditionelle Alptag in Schwarzenberg einen Strich durch die Rechnung. Kein Durchkommen.
Die traditionell geschmückten Tiere hatten Vorrang vor FAQ-Akteurin Saskia Hödl, die aus ihrem Bilderbuch “Steck mal in meiner Haut” lesen sollte. Und so nutzten die wartenden kleinen und großen Besucher die Gelegenheit, sich durch die Räume der Lebenshilfe Werkstätte Bezau führen zu lassen oder um sich noch etwas im Bahnhofsgarten umzuschauen. Eigentlich eh alles ganz im Sinne von Leiterin Angelika Moosbrugger, die sich freute, die Türen öffnen zu dürfen. “Selbstverständlich am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, als Veranstaltungsort für das Festival des Fragenstellens, ist gelebte Inklusion”, sagte sie und begrüßte knapp 20 Kinder, die inzwischen auf roten und grünen Gymnastikmatten hockten, noch mit scheuer Distanz.

“Kennt ihr Pia und die wilden Tiere von KiKA?”, eröffnet Hödl die Lesung und erzählt, dass das Buch ein Gemeinschaftsprojekt mit Pia Amofa-Antwi und Illustratorin Emily Claire Völker ist. Es erzählt keine Geschichte, sondern ist vielmehr ein Sachbuch, das anleitet, wie man mit Kindern über Rassismus und Antirassismus sprechen kann. Kurze und kindgerecht vereinfachte Texte zeigen Gemeinsamkeiten und Unterschiede von uns Menschen auf und stellen klar: Wir sind fast acht Milliarden Menschen auf der Erde und alle haben die gleichen Rechte. “Aber”, blättert die Autorin auf die nächste Doppelseite und liest: Wir sind zwar alle gleich, aber wir sehen alle unterschiedlich aus und erleben unterschiedliche Dinge. “Schaut mal”, zeigt die 37-Jährige auf ihr Kinn, “ich habe hier eine Narbe. Da habe ich mir an einer Rutsche weh getan. Habt ihr auch Narben?” Längst sind die Kinder näher gerutscht, wollen mehr wissen und erzählen von eigenen Erlebnissen. Beispielsweise als es um den eigenen Vornamen ging, und darum, ob es Flora egal ist, wenn sie Flo genannt wird, oder ob Bro es leid ist, immer Fragen beantworten zu müssen. “Es ist okay, wenn du darauf bestehst, dass dein Name richtig ausgesprochen wird”, bestätigt sie den Kindern, für ihre Identität einzustehen. Hödl und Amofa-Antwi knüpfen dabei an kindliche Alltagserfahrungen an, beschreiben Komplexes anhand Erlebtem. “Wer von euch hatte heuer schon einen Sonnenbrand?”, fragt sie in die Runde und erklärt anhand des Pigments Melanin die unterschiedlichen Hautfarben.

Dabei sei es nicht schlimm, Unterschiede zwischen den Menschen wahrzunehmen, denn gleich bedeutet nicht immer fair. “Stellt euch drei Kinder vor, ein großes, ein kleines und eines im Rollstuhl, die alle über einen hohen Zaun auf den Fußballplatz schauen wollen. Es gibt drei Kisten, auf die sie sich stellen können. Ist es gerecht, wenn jeder eine Kiste bekommt?” Da Kinder bereits ein großes Gerechtigkeitsempfinden besitzen, fiel es ihnen nicht schwer, eine gerechte Lösung zu finden.
“Steck mal in meiner Haut” ist aber auch ein hilfreiches Nachschlagewerk, denn die Autorinnen greifen auch Themen wie “Kolonialismus und Raubkunst” sowie “Holocaust” auf, die bei ähnlichen Büchern weggelassen wurden. “Wir haben lange überlegt, ob man Kindern das zumuten kann”, heißt es im Vorwort und was folgt, ist die Antwort auf die programmübergreifende Frage “Warum nicht?”, mit der sich FAQ Bregenzerwald 2022 auseinandersetzt. CRO
Saskia Hödl
Geboren: 1985 in Wien
Ausbildung: Studium Journalismus und Medienmanagement
Beruf: Ressortleitung für das Gesellschaftsressort „taz zwei & Medien“, Kolumne “Kinderspiel”, Mitbegründerin von „Weißabgleich“, ein Podcast von BPoC für BPoC.
Buch: “Steck mal in meiner Haut”, EMF Verlag, 48 Seiten, ab 5 Jahren