Bühnenluft, Theaterdonner und Erfüllung

Kultur / 02.10.2022 • 08:00 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Kapellmeister und Chordirektor Nikolaus Netzer.
Kapellmeister und Chordirektor Nikolaus Netzer.

Netzer verantwortet als Intendant des Musiktheaters Vorarlberg Mozarts „Zauberflöte“.

FELDKIRCH Lange Lehr- und Wanderjahre führten Nikolaus Netzer als Kapellmeister und Chordirektor an verschiedene professionelle Aufführungsstätten, immer mit einem Ziel: Er wollte Bühnenluft schnuppern, die Spannung des Augenblicks erleben, wenn der Vorhang aufgeht. Seit 2007 hat er als Intendant des Musiktheaters im Land seine Erfüllung gefunden.

Warum sind Sie Dirigent geworden – übernehmen Sie gerne musikalisch das Kommando?

NETZER Es gibt ja den Ausspruch: Befehlen verlängert das Leben, deshalb werden Generäle und Dirigenten so alt (lacht). Ich glaube aber nicht, dass bei mir das „Befehlen“ anderer im Vordergrund stand, sondern eher wollte ich schon als Kind den damaligen großen Vorbildern wie Böhm, Karajan, Bernstein nacheifern.

Würden Sie heute Eltern empfehlen, mit ihren Kindern die „Zauberflöte“ in Götzis zu besuchen – als idealer Einstieg in die Welt der Oper?

NETZER Es mag verschiedene Gründe geben, weshalb die „Zauberflöte“ immer als DIE Kinderoper bezeichnet wird. Vielleicht, weil es sehr viel Schwarz-Weiß bzw. Gut und Böse gibt, Kinder mitsingen, viel „Märchenhaftes“ passiert. Für mich war das nie ganz klar. Wenn man als Eltern selbst die „Zauberflöte“ mag, die Kinder vorbereitet, die Geschichte bespricht, wird unsere Produktion sicher gut geeignet sein.

Sie waren Assistent bei Größen wie Nikolaus Harnoncourt und Gustav Kuhn, haben lange als Kapellmeister und Chorleiter in Erl, Ulm und Innsbruck gewirkt. War das für Sie die Erfüllung – jeden Abend am Pult?

NETZER Jeden Tag proben, viel dirigieren und lernen, lernen, lernen dürfen, das war schon was. Aber mit das Größte: Ich kann mich an keine einzige Situation erinnern, wo es zwischen meinem Gegenüber, sei es nun ein Profiorchester oder ein Laienchor, und mir zu Unstimmigkeiten gekommen wäre. Das empfinde ich als großes Geschenk. Immer stand die Musik im Vordergrund.

Nikolaus Netzer dirigiert in der Kulturbühne Ambach Götzis  die "Zauberflöte".
Nikolaus Netzer dirigiert in der Kulturbühne Ambach Götzis die "Zauberflöte".

In Innsbruck haben Sie auch mit Brigitte Fassbaender als Intendantin zusammengearbeitet – gab es dabei auch Theaterdonner?

NETZER Klar hat es manchmal „gedonnert“. Aber immer in der Sache, nie persönlich. Wir haben bis heute ein sehr gutes Verhältnis.

Im Hauptberuf haben Sie als Direktor der Musikschule Feldkirch die Kooperation zwischen Kindergärten und Volksschulen sowie den Musikschulen im Land als bundesweit einzigartiges Erfolgsmodell mitentwickelt.  

NETZER Als ich im „Vorarlberger Musikschulwerk“ mit den Kooperations-Agenden betraut wurde, konnte ich gemeinsam mit Kolleg:innen und Landesstatthalterin Dr. Barbara Schöbi-Fink das Ganze in eine gesetzliche Form bringen. Diese Form der Kooperation ist eine Erfolgsgeschichte und österreichweit einzigartig. Darauf sind wir natürlich stolz!

Mit Mozarts „Zauberflöte“ haben Sie als Intendant des mtvo mit Präsidentin Hinterholzer eines der personalintensivsten, aber auch gängigsten Opernwerke unserer Zeit gewählt. Wie groß ist das Risiko?

NETZER Ich bin mir dessen bewusst, dass eine „Zauberflöte“ mit einem jungen Ensemble eine enorme Herausforderung ist. Aber genau dieses „Risiko“ ist es doch, warum wir Theater, warum wir Oper machen.

In der „Zauberflöte“ kommt als wichtige Figur der Mohr Monostatos vor. Wie gehen Sie in Zeiten der Diskussion um das Mohren-Logo und kulturelle Aneignung mit dieser Situation um?

NETZER In keinem Moment wird uns da von Mozart und Schikaneder das Bild eines dummen Menschen vermittelt. Mag sein, dass man mit der Rolle einem damals gängigen Klischeebild gefolgt ist, das man heute so sicher nicht mehr zeichnen würde. Aber es geht um die Charaktere des Günstlings, ganz egal, welche Hautfarbe er hat. Im Text und auch in der Musik seiner Arie wird deutlich, wie entlarvend der Autor und der Komponist die Arroganz der sogenannten „überlegenen Weißen“ darstellen. Für mich werden also die „Weißen“ bloßgestellt, nicht die „Schwarzen“.

Was schätzen Sie persönlich an der Gemeinschaft beim Musiktheater Götzis?

NETZER Wir sind füreinander da, klare Linien, wer wofür zuständig ist, gibt es nicht. Das, was zu tun ist, wird gemacht. Uns verbindet, aus dem, was wir haben, das Beste zu machen. Das ist ein großartiges Gefühl, solche Menschen um sich zu haben!

ZUR PERSON

NIKOLAUS NETZER

GEBOREN 1967 in Schruns

AUSBILDUNG Studium Musik- und Instrumentalerziehung, Dirigentendiplom

TÄTIGKEIT Lehrtätigkeit an der Universität Mozarteum, Chordirektor und Kapellmeister 1999 – 2001 der Tiroler Festspiele Erl, 2001 – 2005 am Theater Ulm, 2005 – 2009 am Tiroler Landestheater, 2005 – 2014 Leiter des Festivals „Montafoner Sommer“, seit 2007 Intendant des Musiktheaters Vorarlberg, seit 2009 Direktor der Musikschule Feldkirch

FAMILIE verheiratet mit der Sopranistin Vera Schoenenberg, zwei Söhne

FRITZ JURMANN

Mozarts „Zauberflöte“ als Produktion des Musiktheaters Vorarlberg: Premiere 7. Oktober, weitere Vorstellungen 9., 11., 13. und 15. Oktober, 19.00 Uhr, Kulturbühne Ambach Götzis