Gottfried Bechtold kandidiert erneut

Kultur / 03.10.2022 • 20:13 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Arbeit „Unser Mann“ von Gottfried Bechtold im Kunsthaus Graz. CD
Arbeit „Unser Mann“ von Gottfried Bechtold im Kunsthaus Graz. CD

Eine Ausstellung dokumentiert, dass der Vorarlberger Künstler zum Thema Verführung noch viel zu sagen hat.

Graz, Bregenz Dass auch die Hauptstadt der Steiermark gerade derart von Wahlplakaten übersät ist, dass es den Anschein hat, es findet sonst nicht viel statt, ist ein Zufall, der im Bezug zu einer Ausstellung durchaus vertiefend wirkt. Unter dem Titel „Faking the Real“ läuft in Graz ein mehrteiliges Projekt, dessen Zentrum eine Schau im Kunsthaus bildet. Im markanten und damit unübersehbaren Bau im Stadtzentrum sind Arbeiten von so prominenten Künstlerinnen und Künstlern wie Rosemarie Trockel, Sylvie Fleury, Peter Weibel, Monica Bonvicini, John Baldessari, Thomas Hirschhorn, Elfie Semotan, Maja Vukoje, Robert Indiana und eben Gottfried Bechtold zu sehen, die Manipulation thematisieren und vor allem zur Auseinandersetzung mit dem Medienbild auffordern.

Die inhaltlich komplexe Bilderserie „Unser Mann“ des Vorarlberger Künstlers ist mittlerweile bald 20 Jahre alt und geht auch auf eine Arbeit zurück, mit der Gottfried Bechtold pointiert auf die in den 1990er-Jahren erfolgte Aufforderung der Vorarlberger Nachrichten reagierte, eine Seite in der Tageszeitung künstlerisch zu gestalten. Dabei pries er sich als kandidierenden Politiker an, erzeugte Irritationen, forderte aber auch die Reflexion. Die Relevanz seiner Auseinandersetzung mit einer Werbung, die auf Hohlheit beruht, ist nach wie vor gegeben. Chiffren erfüllen, lautet die Devise in der Wahlwerbung. Hier sind es Konsensfähigkeit und Kompetenz, die das Bild und die eingenommene Pose signalisieren. Die wechselnden Parteilogos zeigen die Austauschbarkeit, auf die Bechtold anspielt, wenn er sich als Mann der ÖVP, der SPÖ oder der Grünen positioniert.

In Wien hatten die im Stadtraum angebrachten Plakate ebenso gewirkt wie 2016 in Linz, als das Museum Lentos Gottfried Bechtold eine umfassende Personale widmete, in deren Rahmen die Plakate im Stadtraum verteilt und von Passanten laut Reaktionen in der Tat als Wahlplakate gelesen wurden. Übrigens: Dass damals im Linzer Lentos bereits die Taurus-Lok-Arbeit erwähnt wurde, die heuer mit seiner Signatur auf einer im europäischen Schienennetz verkehrenden Lokomotive in Kooperation mit dem Kulturamt Bregenz realisiert werden konnte, sei erwähnt. Es beweist ebenfalls die Nachhaltigkeit von Bechtolds künstlerischen Konzepten.

Das gilt unter anderem auch für die in Graz vertretene Arbeit von Rosemarie Trockel, die vor Jahren Gesichter von Models so manipuliert hat, dass sie völlig symmetrisch und damit perfekt erscheinen sollten. Die Auseinandersetzung mit Haltung und Pose, wie sie Elfie Semotan mit Werbeplakaten für Dessous zum Ausdruck gebracht hat, offenbart wesentliche Instrumente der Werbung und Manipulation, die nach wie vor Gültigkeit haben. Das Körperbild in der Werbung hat Sylvie Fleury mit der auf dem Cover eines einschlägigen Magazins gestellten Frage „Are you too fat for sex?“ unterwandert. Männliches Machogehabe haben die Guerilla Girls und Judy Chicago schon früh bloßgestellt, Peter Weibels Nachrichtensprecherauftritt ist eine Ikone der Medienkunst, und Robert Indianas Werbefeldzug für Barack Obama mit dem Schriftzug „Hope“ in der Machart seiner „Love“-Skulptur hatte schließlich funktioniert. Die Frage nach dem verschwindenden Wahrheitsgehalt von Bildern bringt Maja Vukoje mit einer neueren Arbeit, einer gemalten, aber leeren Plakatwand, auf den Punkt.

Geöffnet ist die Ausstellung „Faking the Real“ im Kunsthaus Graz bis 8. Jänner.