Immer noch stimmige Pountney-Inszenierung

„Jenufa“ wurde in neuer Besetzung mit Asmik Grigorian gefeiert.
Wien, Bregenz Nachdem Lotte de Beer im Theater an der Wien vor wenigen Monaten in ihrer „Jenufa“-Interpretation erdrückende Moralnormen sowie frauenverachtende Tendenzen in der Sozialisierung der Menschen durch die Religion für die Tragödie in Janáceks Oper verantwortlich machte, holte die Staatsoper nun die rund 20 Jahre alte Inszenierung von David Pountney wieder aus dem Fundus, besetzte die Partien neu und hat damit eine Produktion zu bieten, in der alles stimmt.
Perfekte Verdichtung
Dass der Bühnenaufbau von Robert Israel eine zweite Pause bedingt, nimmt man hin. Was ihm mit einem riesigen Mühlrad, undurchdringbaren Wänden aus Mehlsäcken und überdimensionierten Holzwänden für die drei Akte einfiel, sind Sujets, in denen sich die Thematik wie die Musik perfekt verdichten. Als ob es gilt, für die Partitur ein Bild zu schaffen, sind dazu die Kostüme der Protagonisten im grauen Ambiente weiß oder schwarz. Nur bei der Dorfjugend erlaubt sich Kostümbildnerin Marie-Jeanne Lecca bunte Folkloristik.
Es ist interessant zu beobachten, dass Lotte de Beer, mittlerweile Intendantin der Wiener Volksoper, auch die dörflichen Strukturen oder Kriegstraumatisierungen mitdachte, die etwa den saufenden Steva hervorbrachten, während sich Pountney, einstiger Festspielintendant in Bregenz, fast ausschließlich auf die Verfasstheit der Küsterin, von Jenufa und der beiden Männer konzentriert und sich erlaubt, bei Karolka und der Dorfrichterfrau auch Klischees zu streifen.
Plausibel bis ins kleinste Detail
Das verringert jedoch nichts, denn die Sorge der jungen Frau, die sich aufgrund der passierten Schwangerschaft den Kindsvater sichern muss und nicht Laca zuwenden kann, der sie eifersüchtig begehrt, sowie der Entschluss der Küsterin, den heimlich auf die Welt gebrachten Buben ihrer Ziehtochter zu ertränken und schließlich auch für die Tat einzustehen, wird durch die Personenführung bis ins kleinste Detail derart plausibel, dass man den Atem anhält. Ihr Jenufa-Debüt hat die zuletzt in Salzburg gefeierte Sopranistin Asmik Grigorian zwar längst in London absolviert, die Staatsoper bewirbt die Produktion aber freilich mit ihrem Auftritt, als hätten sie die Kollegen in Berlin nicht schon vor Wien für diese Partie gebucht. Abgesehen von der von ihr erwarteten Brillanz bietet die Frische und Wendigkeit der Stimme mit hellem Timbre ein Hörerlebnis. Ergänzt wird es von der ungemein kraftvoll agierenden und singenden, nie aber schrill wirkenden Eliska Weissova als Küsterin. Es passt, dass David Butt Philip (Laca) und Michael Laurenz (Steva) zwar schöne Farbnuancen einbringen, aber in der stimmlichen Präsenz eher zurücktreten. Das stets energiegeladene Dirigat von Tomas Hanus bringt Gefühle ohne ein Abgleiten ins Sentiment zum Leuchten und lässt mithören, dass Regisseur David Pountney die Handlung nicht unterwandert, wenn er am Schluss nicht ausschließt, dass das junge Paar Jenufa und Laca nach allem, was auszustehen war, vielleicht doch noch eine Chance hat. CD
Nächste Aufführung am 15. Oktober und zahlreiche weitere an der Wiener Staatsoper.