Das Beste zum Abschied

Dražen Domjanić übergibt die Leitung von :alpenarte an Matthias und Anna-Maria Honeck.
SCHWARZENBERG Die Verkürzung des Festivals :alpenarte von vier auf drei Tage gab bereits Anlass zu Vermutungen, seit gestern ist alles klar: Beim Abschlusskonzert gab der Gründer und künstlerische Leiter, der in Liechtenstein tätige Musikmanager Dražen Domjanić, seinen Rückzug von dieser Funktion bekannt. Er will sich in Liechtenstein nur noch dem Campus der Musikakademie widmen und in seiner alten Heimat Kroatien neue Aufgaben übernehmen. Sein Ausscheiden erfolgte in bestem Einvernehmen mit dem Präsidenten des Festivals, dem Unternehmer Hans Metzler. Beide sahen nach fünf Jahren die Zeit für einen Wechsel mit einer verjüngten Leitung gekommen, eine neue Ära steht an.
Ab 2023 übernimmt der in Vorarlberg geborene Geiger Matthias Honeck die Intendanz des Festivals, für die Organisation steht ihm seine Schwester zur Seite, die Musikerin Anna-Maria. Matthias Honeck, 36, ist gerade in Schwarzenberg kein Unbekannter, leitet er doch mit den Wiener Streichersolisten die jährlichen Adventkonzerte im Angelika-Kauffmann-Saal und gastiert seit 2012 mit seinem Quartett bei Sommerkonzerten im Palast Hohenems. Seit 2011 ist er Mitglied der Wiener Symphoniker, seit drei Jahren Stimmführer der Zweiten Geigen.

Dražen Domjanić bemühte sich redlich, sein 2017 ins Leben gerufene Projekt als „junges“ Festival zu positionieren. Die Grenzen des ehrgeizigen Vorhabens zeigten sich, als einzelne Musiker die Funktion eines Intendanten mit Programmplanung und Durchführung übernehmen sollten und dabei oft heillos überfordert waren. Ein anderer Vorsatz ist auch nach fünf Jahren noch nie wirklich erfüllt worden, dass dort nämlich wie geplant Jugend für Jugend musiziert. Die junge Generation suchte sich auch am Freitag lieber andere Formate zu ihrer Unterhaltung und delegierte dafür ihre Eltern und Großeltern ins Konzert. Dass dieses erschreckend schütter besetzt blieb, war nicht allein dem schlechten Wetter geschuldet. Da kommt auf die neue Doppelspitze ein großes Stück Arbeit zu. Domjanić aber darf man zugutehalten, dass er sich von seiner Intendanz bei der Eröffnung der letzten Saison mit einer exzellenten Performance verabschiedet hat, die zum Besten gehört, was man hier in fünf Jahren erlebt hat.

Dabei wird eine weitere Zielsetzung von :alpenarte erfüllt, nämlich die Darbietung hochkarätiger Musik ohne konventionellen Konzertsaal-Mief. Dem 2018 in London gegründeten Ensemble „Apollo‘s Cabinet“ ist das im Weltklasse-Format auf ideale Weise gelungen, weil die Truppe die vielfältige Barockmusik, welcher der Reisende Charles Burney damals auf seiner Tour durch Europa begegnet ist, als Leitfaden zwar ernst nimmt, sie aber auf ihren originellen Zugang abklopft und sich damit das Publikum rasch erobert. Dass in dem top ausgebildeten siebenköpfigen Ensemble gleich drei Vorarlberger gute Figur machen, ist nicht ohne. Die Gründerin Teresa Wrann aus Thüringen besticht auf ihren Blockflöten durch atemberaubende Virtuosität, die Rankweiler Geigerin Karoline Wocher trumpft mit berückendem Ton, stilistischer Sauberkeit und engagierter Musikalität auf, und als Gast fügt sich die Bludenzer Mezzosopranistin Isabel Pfefferkorn als Artist in Residence nahtlos ins Ensemble.

Pfefferkorn verströmt den Zauber ihrer fein abgedunkelten Stimme solo in einer Art Prozessionsgesang von Purcell und findet mit eher verhaltenem Temperament in der strahlend lebendigen Sopranistin der Truppe, Ella Bodeker, das Gegenstück für eines der weltweit schönsten Liebesduette, „Pur ti miro“ aus Monteverdis „Poppea“. Bodeker verströmt ihr überschäumendes stimmliches Talent auch an einer venezianischen Tarantella, im Wettstreit der Händel-Koloraturen mit der Blockflöte und vor allem den mitreißenden Reels der englischen und schottischen Tanztradition. Das männlich besetzte Continuo auf den Originalinstrumenten Theorbe, Gambe und Cembalo steht dem in nichts nach.

Am Samstagnachmittag war dann der Angelika-Kaufmann-Saal ausverkauft. Bei „:Evergreens für Sie“ zeigten die jungen Musiker, welch ungeheures Potenzial in all ihnen steckt, einen einzelnen hervorzuheben ist unmöglich. Neben Isabel Pfefferkorn begeisterten der zwölfjährige Oleksandr Fediurko, der 18-jährige Roman Fediurko und der 20-jährige Dmytro Semykras, alle aus der Ukraine stammend, am Klavier das Publikum. Außergewöhnlich auch die Leistungen von Julian Kainrath (17) an der Violine und Petar Pejcic (20) am Cello. Und die Sopranistin Nadja Maria (29) zeigte zuerst mit einem selbst komponierten Lied, später mit einem Solostück von Mariah Carey und schlussendlich mit einem wunderschönen Duett gemeinsam mit Isabell Pfefferkorn ihr Können. Die Zuhörer dankten es den Künstlern mit minutenlangen Standing Ovations; dem Publikum schien bewusst, hier junge Musiker am Beginn ihrer großen Karrieren erlebt zu haben.
Fritz Jurmann
Andreas Marte