Perfides und kluges Spiel um ein Gerichtsurteil

Kultur / 23.10.2022 • 15:30 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
"Fünf zu drei" wurde am Saumarkttheater uraufgeführt. Die Produktion kommt in die Box im Vorarlberger Landestheater in Bregenz. <span class="copyright">CD</span>
"Fünf zu drei" wurde am Saumarkttheater uraufgeführt. Die Produktion kommt in die Box im Vorarlberger Landestheater in Bregenz. CD

„Fünf zu drei“ der Autorin Annette Raschner wurde in der Regie von Dagmar Ullmann-Bautz uraufgeführt.

Feldkirch, Bregenz Elf zu eins steht es am Beginn des Films „Die zwölf Geschworenen“ von Sidney Lumet und Reginald Rose. Elf halten den Angeklagten für schuldig, nur einer hegt Zweifel. Nach einer langen Debatte, bei der sich die Indizien als fragwürdig erweisen, votieren alle für einen Freispruch.

Das Werk zählt zum Filmkanon, wurde auch für die Bühne adaptiert und findet gleich zu Beginn im Drama „Fünf zu Drei“ Erwähnung, das die Vorarlberger Journalistin und Autorin Annette Raschner verfasste und das mit Akteuren der Ensembles Bühne West und Theater Zwischentöne nun im Feldkircher Saumarkttheater uraufgeführt wurde.

Die Lichtstimmung spielt in "Fünf zu drei" eine besondere Rolle. <span class="copyright">CD</span>
Die Lichtstimmung spielt in "Fünf zu drei" eine besondere Rolle. CD

Es ist ein ironischer und erst nach und nach erhellender Verweis, denn welche Indizien zur Verurteilung der Unternehmerin Susanne wegen des Mordes an ihrem Mann führten, das erfährt das Publikum nicht und es verlässt das wunderschöne Kellertheater auch nicht im Wissen, wer nun den tödlichen Schuss auslöste. Für die einen mag es klar geworden sein, für die anderen – zu denen auch die Rezensentin zählt – nicht, gejubelt haben sie alle.

Besonderes Treffen

„Fünf zu drei“, ein Geschworenenurteil, das einmal in Tirol gefällt wurde, obwohl sich die Angeklagte stets als unschuldig erklärte, hatte die Autorin zwar zum Schreiben motiviert, gelandet ist sie dann aber nicht im Bereich der Justiz. Das Theater macht es möglich, fünfzehn Jahre nach der Tat lädt Wolfgang, der ermordete, ehemals erfolgreiche Firmenchef zum Treffen mit der einstigen Ehefrau und Geschäftspartnerin sowie seinem Kompagnon Marcel. Anwesend sein sollen auch Wolfgangs frühere Geliebte Julia und Susannes Liebhaber Egon.

Das Ensemble besteht zum Großteil aus gut geschulten Amateuren. <span class="copyright">CD</span>
Das Ensemble besteht zum Großteil aus gut geschulten Amateuren. CD

Bingo, allein die Personenkonstellation lässt ein Kammerspiel erwarten, in dem die Masken nach und nach verrutschen und schließlich fallen und in dem man mit Gehässigkeit nicht spart. Geld, bevorzugt jenes, das man durch einige Tricks angehäuft hat, ungleiche Machtverhältnisse und die erotische Anziehung oder Abhängigkeit sind ein großartiger Nährboden für solche Stücke. Ihre Qualität ergibt sich aus der psychologischen Tiefe, in die gegraben wird sowie aus der daraus resultierenden Vielschichtigkeit der Thematik. Raschner bleibt an sich an der Oberfläche: Julia war eine bestellte Prostituierte, Egon war die Affäre mit der begüterten Susanne recht, weil er Schulden wegen seiner Spielsucht hatte, Marcel entlarvt sich sofort als fieser Nutznießer und Wolfgang hätte eine Scheidung ohnehin nur finanzielle Schwierigkeiten bereitet.

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Mit dem Plot, einem Treffen nach dem Tod und der abgesessenen Gefängnisstrafe, über deren Wahrheitsgehalt man sich gar nicht mehr so sicher ist, erreicht sie allerdings enorme Komplexität. Das reißt mit, man will die Figuren zu fassen kriegen, seien sie auch noch so klobig. Das erinnert wiederum an den Film „Die zwölf Geschworenen“, die rasch erkennen lassen, wie sie ticken und die doch nie langweilen.

Enorme Wirkung

Eine intelligente und zugleich spielerisch perfide Sache, die sich Annette Raschner da ausgedacht hat und die Regisseurin Dagmar Ullmann-Bautz mit Sepp Gröfler, Elke Kikelj-Schwald, Dominik Meusburger, Karl Müller und Sarah Ritter ebenso aufbereitet. Die Mitwirkenden sind zum Großteil Amateure, aber bestens geschult. Kennen Sie diese kleinen Spielzeugtierchen, die beim Druck auf den Sockel, auf dem sie stehen, in sich zusammensacken? Nach diesem Muster hat Claudia Grava eine spannende Choreografie geschaffen und Ausstatterin Caro Stark kleine Auftrittspodien konstruiert, mit denen die Akteure die Monolog- und Dialogsituation unterstreichen. Das ist aufwendig, hat aber eine enorme Wirkung. Vor allem, wenn das Tempo stimmt, das Dagmar Ullmann-Bautz mit ihrem Team konsequent erarbeitet hat.  

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„Werden wir dafür zahlen, wie wir waren?“ singt Tori Amos in „Happy Phantom“. Die Bühnenmusik ist gut gewählt, das gilt auch für „Highway to Hell“ von AC/DC. Wir hören ja nur das Intro, den Inhalt besorgen die Akteure – und wie!

Weitere Aufführungen in Feldkirch am 23. Oktober, 19.30 Uhr, im Theater am Saumarkt sowie am 25. und 26. Oktober, 19.30 Uhr in der Box im Landestheater in Bregenz.

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