Expedition in den Arlbergtunnel

Hervorragendes Projekt von Hans Schabus und Caroline Mesquita im Kunstforum Montafon.
Schruns Das Kunstforum Montafon, die regionale Initiative mit überregionaler Strahlkraft, weist eine interessante Verbindung zum großen Kunsthaus Bregenz auf. Unterstützt wurde die Eröffnung vor mehr als 25 Jahren – und damit vor dem KUB – von dessen Gründungsdirektor Edelbert Köb, der das Potenzial der Einrichtung in einer ehemaligen Lodenfabrik an der Litz sowie deren Wert im Vorarlberger Oberland erkannte. Das Budget des KFM ist im Vergleich des sicher nicht überdotierten KUB eine Marginalie und dennoch birgt das Ausstellungsprogramm, das man neben vielen Seminaren realisiert, immer wieder Überraschungen.

„Mid-Way“ lautet der Titel des aktuellen Projektes. Es ist eines der umfangreichsten der letzten Jahre. KFM-Kurator Roland Haas konnte den Künstler Hans Schabus (geb. 1970) für den Raum interessieren und holte sich damit jenen Österreicher, der das Land vor einigen Jahren auf der Biennale in Venedig vertrat und dort den Austria-Pavillon von Josef Hoffmann und Robert Kramreiter in einen Berg verwandelte. Bevor diese begehbare alpine Skulptur im Flachland der Lagune viel Aufmerksamkeit erregte, simulierte er im Kunsthaus Bregenz eine Art Zugfahrt vom 1884 eröffneten Arlbergbahntunnel an den Bodensee mit seinen Booten und Schiffen.
Geografische Gegebenheiten und historische Fakten, die die Entwicklung einer Region beeinflussten, finden in den Installationskonzepten von Schabus stets Berücksichtigung. So nun auch in Schruns, wo wiederum der Arlbergtunnel das Thema ist – allerdings der im Jahr 1978 freigegebene Straßentunnel.
Ein Segment der Tunnelröhre
Die Bedeutung der Verbindung zwischen Vorarlberg und Tirol liegt für die Bevölkerung und die Tourismusregion Montafon auf der Hand, wird bei der Umsetzung des künstlerischen Projekts räumlich in seinen Dimensionen intellektuell, aber auch spielerisch erfahrbar. 4,70 Meter beträgt der Radius der Tunnelröhre, von der die Autofahrer nur einen Bruchteil wahrnehmen. Das Segment im Kunstforum, diese aus Holz gebaute Halfpipe entspricht dem konkreten Maß. Die Kreisform, die sich ergibt, wenn sich die Tunnelbohrmaschine durch das Gestein arbeitet, lässt sich weiterdenken, während die Besucher, die das Werk aus Fichtenholz in Socken begehen dürfen, schon im Teilbereich mit dem Gleichgewicht hadern.

Großes Theater
Das ist noch nicht alles. Als Schabus, der mittlerweile auch an der Universität für angewandte Kunst in Wien unterrichtet, aufgefordert wurde, eine weitere Künstlerin oder einen Künstler einzuladen, um mit ihm im Kunstforum zu arbeiten, nahm er eine Landkarte, übertrug die Entfernung von Schruns nach Wien auf einen Zirkel, zog einen Kreis und landete in Marseille. Dort lebt die französische Bildhauerin Caroline Mesquita (geb. 1989), deren Vogelskulpturen nun den Tunnel bevölkern. Nein, sie nisten nicht einfach dort, die Skulpturen aus Messing und Kupferblech lassen sich als Dokumente einer Fauna lesen, der der menschliche Eingriff in die Natur nichts anhaben kann. Es sind Arbeiten, die über die Verwendung des Materials eine Physiognomie entwickeln, deren energetische Aufladung unmittelbar spürbar wird.
Das Projekt „Mid-Way“ ist ein Treffen einer Künstlerin und eines Künstlers auf halbem Weg, dessen Ausmaß in der Kombination der Materialien großes Theater ergibt. Es ist eine künstlerisch überhöhte, assoziationsreiche Expedition in den Arlbergtunnel, die überzeugt und die Positionierung des Kunstforums Montafon in der Reihe bedeutender Einrichtungen für bildende Kunst dokumentiert.
Die Ausstellung im Kunstforum in Schruns (Kronengasse 6) ist bis 29. Jänner, Mi bis Fr und So, 16 bis 18 Uhr geöffnet. Eine Verlängerung ist angedacht.

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