Wertvolle Kunstvermittlung

Kultur / 23.12.2022 • 13:00 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
QuadrART-Leiter Erhard Witzel mit Arbeiten des Künstlers Martin Noel. <span class="copyright">CD</span>
QuadrART-Leiter Erhard Witzel mit Arbeiten des Künstlers Martin Noel. CD

Neue Ausstellung im Dornbirner QuadrART, einem Informations- und Erlebnisort.

Dornbirn Dass es sich um einen Kunstraum handeln muss, wird Passanten in der Sebastianstraße in Dornbirn rasch klar. Die Zahl der bildhauerischen Arbeiten, die das kubusartige Gebäude säumen, hat sich vergrößert. In der Nähe des Eingangs steht unverkennbar ein Werk aus der „Windhauch“-Serie des Vorarlbergers Albrecht Zauner. Der Kunstexperte Erhard Witzel und die Künstlerin Uta Belina Waeger betreiben hier seit gut 13 Jahren nicht einfach eine Galerie, es ist ein Haus, in dem fundiert kuratierte Ausstellungen stattfinden. Zuletzt wurden Vorarlberger Künstlerinnen und Künstler eingeladen, jeweils ein Projekt zu verantworten. Daraus entwickelte sich ein Konzept, das gut funktionierte bzw. Besucherinnen und Besucher in ein Quartier lockte, das als gute Wohngegend zu identifizieren ist. Das QuadrART, so der Name des Ausstellungsortes, entdeckt man nicht durch Zufall bei einem Stadtbummel, man sucht es auf. Ein Künstlergespräch mit Gottfried Bechtold und Tone Fink war zuletzt bestens frequentiert und auch die Schriftstellerin Gabriele Bösch füllte bei einer Lesung den Raum.

Werke von Jan Ulrich Schmidt, Franz Türtscher und Günter Förg im QuadrART. <span class="copyright">CD</span>
Werke von Jan Ulrich Schmidt, Franz Türtscher und Günter Förg im QuadrART. CD

In der aktuellen, bis 4. Februar geöffneten Ausstellung „Lust auf mehr“ bietet Erhard Witzel nun ein Segment seiner umfangreichen Sammlung, die Begegnungen mit Bekanntem und höchst Entdeckenswertem beinhaltet. Die Auswahl trägt den Untertitel „Streifen-Un(d)-Ordnung“ und wird nur vermeintlich von konkreter Kunst dominiert, streift sie doch auch die Abstraktion und den Expressionismus. Die Arbeiten von Günther Förg (1952-2013) aus dem Jahr 2000 erwecken etwa Assoziationen zur Landschaft. Auch die Mischtechniken der US-amerikanischen Künstlerin Agnes Martin (1912-2004) sind von der Natur inspiriert. Sogwirkung erzeugen die Holzschnittunikate von Martin Noel (1956-2010) mit ihren Verzweigungen und Verästelungen.

Die Lebenswege von Oskar Holweck (1940-2007), einem renommierten Vertreter der Künstlergruppe Zero, und von Erhard Witzel hatten sich einst gekreuzt. Holweck war Professor in Saarbrücken, wo Witzel Betriebswirtschaft studierte. Mit Hochachtung spricht der Kunstexperte von der Konsequenz dieses Künstlers, der zwei Mal Einladungen zur Weltkunstschau documenta in Kassel ablehnte, weil ihm das Konzept nicht überzeugend erschien. Zu sehen sind in Dornbirn zwei Papierreliefe aus den späten 1970er-Jahren, die durch Zerreißen oder Durchbohren des Materials entstanden sind. Auch die „Gingko“-Mischtechniken von Herbert Zangs (1924-2003) stammen aus dieser Zeit. Schon drei Papierarbeiten von IMI Knoebel (geb. 1940) bieten Vertiefung in das Formenvokabular eines der namhaften Vertreter der Minimal Art.

Ein Rat an die Politik

Die Knoebel-Arbeiten aus dem Jahr 2010 dokumentieren das Sammlerengagement von Erhard Witzel, der als erfahrener Vermittler zwischen Künstlerinnen, Künstlern und Publikum, als einstiger Lehrbeauftragter, Mitbegründer der Art Bodensee und Beiratsmitglied verschiedener Kunstmessen die aktuelle Problematik in der internationalen Galerienszene gut kennt. Zu schaffen mache seinen Kolleginnen und Kollegen nicht nur das momentane Desinteresse potenzieller Käufer an zeitgenössischer Kunst, Werke aus privaten Sammlungen landeten zurzeit derart häufig in Auktionshäusern, dass sich der Preis verwässert. Mehr Kunstvermittlung zu betreiben, ist Witzel seit jeher ein Anliegen. Als nominierter Kunstankäufer des Landes riet er erst jüngst der Politik, die Bevölkerung wesentlich intensiver über das Kunstschaffen zu informieren. Nachdem die Errichtung einer Landesgalerie in Vorarlberg nach wie vor kein Thema ist, schlug er vor, alle paar Jahre eine von der Kulturabteilung des Landes finanzierte, gut kuratierte Übersichtsausstellung zu realisieren, die jeweils mehrere Monate zu sehen ist.

Zum QuadrART in Dornbirn zählt auch eine Skulpturensammlung im Außenraum. <span class="copyright">CD</span>
Zum QuadrART in Dornbirn zählt auch eine Skulpturensammlung im Außenraum. CD

Zwei Vorarlberger

In die Ausstellung „Streifen-Un(d)-Ordnung“ wurden selbstverständlich auch Arbeiten von Vorarlbergern aufgenommen. Ein neues Werk von Christian Eder (geb. 1964 in Bregenz) besticht durch das Changieren zwischen Figur und Grund. Gut, mit großem Abstand zu den anderen Exponaten gehängt, entwickelt es bewegende Tiefenwirkung. Die ältere, reduziert in Schwarzweiß gehaltene Arbeit von Franz Türtscher (geb. 1954 in Dornbirn) konfrontiert mit jenen abstrakten Gestaltungsprinzipien, die den Künstler bekannt machten, der etwa durch die Arbeit an der Kriegerhornbahn in Lech auch im öffentlichen Raum vertreten ist.

Jan Ulrich Schmidt setzte sich unter anderem mit Arbeiten von Jawlensky auseinander. <span class="copyright">CD</span>
Jan Ulrich Schmidt setzte sich unter anderem mit Arbeiten von Jawlensky auseinander. CD

Der Deutsche Jan Ulrich Schmidt (geb. 1976) hat die Farben in Werken von Meistern der Moderne analysiert und geordnet. Sich mit den Wurzeln von Jawlensky zu beschäftigen, ist ein theatralisches Erlebnis. Weiters locken etwa Arbeiten von Marcello Morandini (geb. 1940), einem italienischen Vertreter des Neokonstruktivismus, sowie des Deutschen Uwe Rachow (geb. 1957) ins QuadrART, das mit dieser Ausstellung zur Kunsthalle wird, die das Begegnungsangebot in Vorarlberg wertvoll ergänzt.

Arbeiten auf Papier von IMI Knoebel. <span class="copyright">CD</span>
Arbeiten auf Papier von IMI Knoebel. CD

Geöffnet im QuadrART bis 4. Februar in der Sebastianstraße 9 in Dornbirn. Bis 14. Jänner nach Vereinbarung (0680/1231844), danach Do bis Sa, 17 bis 19 Uhr.

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