Beklemmung bei Kunst
Im Jahre 2005 wurde von den Vereinten Nationen der 27. Jänner als Tag des Gedenkens an den Holocaust und den 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau eingeführt. An diesem Tag sollen vor allem Schulen an Verbrechen gegen die Menschlichkeit, an Völkermord und vor allem an die Vernichtung der Juden durch den Nationalsozialismus erinnern. Auch einschlägige Institutionen nehmen diesen Anlass war, so gab es gestern im vorarlberg museum am Vormittag ein Programm für Schulen, am Nachmittag stand das Konzentrationslager Mauthausen im Mittelpunkt, dem auch eine Fotoausstellung von Mario Zink gewidmet ist, schließlich gab es noch ein Gespräch zur Vorarlberger Widerstandsgruppe „Aktionistische Kampforganisation“ und am Abend einen Vortag von Werner Dreier über Harald und Irmfried Eberl, zwei Nazi-Schergen aus Bregenz. Viel auf einmal – aber gut, dass man sich des Themas intensiv annimmt.
Der Zufall wollte es, dass wir vor dem Gedenktag im Kunsthaus Zürich die Sammlung Emil Bührle genauer ansehen wollten. Eine ganz außergewöhnliche Zusammenstellung der besten Namen der Kunstgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert, insgesamt über 200 Arbeiten von Künstlern wie Vincent van Gogh, Auguste Renoir, Claude Monet, Paul Cézanne, Amadeo Modigliani, Edgar Degas, Paul Gauguin, Auguste Rodin, Alberto Giacometti und vielen, vielen anderen. Diese Bilder und Skulpturen sind von unschätzbarem Wert, sie vermittel einen tiefen Eindruck zur Kunst um die Jahrhundertwende, zum Vergehen der einen und zum Auftreten anderer Kunstrichtungen. Emil Bührle hatte beste Berater an seiner Seite, er wusste aber auch selbst, was gut war. Vor allem: Er hatte das notwendige Geld, viele Millionen.
Wie das so üblich ist, wurde Emil Bührle als Mäzen des Kunsthauses Zürich in der Schweiz hoch gefeiert, er erfuhr höchste Ehrungen und gehörte natürlich zu den besten Kreisen in Zürich. Und dann – ja, dann wurde seine Geschichte – auch vom Kunsthaus – genauer untersucht. Und da zeigte sich, dass der aus Deutschland Eingewanderte mit seiner Waffenschmiede „Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon“ (WO) die Welt mit Kanonen und allerlei Kriegsgerät belieferte. Nicht zuletzt florierte WO während der Zeit des Zweiten Weltkriegs mit Waffenlieferungen an Nazi-Deutschland. Auch nach dem Weltkrieg nutzte Emil Bührle alle Kanäle, um seine Waffen an kriegführende Länder zu liefern.
Nach Recherchen der „Neuen Zürcher Zeitung“ betätigte sich Bührle mit seiner WO als Waffenschmuggler, der alle diktatorischen Regimes von Hitler-Deutschland über Franco-Spanien bis später zu zwielichtigen Staaten im Nahen Osten und in Afrika mit Waffen belieferte. Mit diesem Wissen ausgestattet, bekommt man bei aller Begeisterung für die Bilder im Kunsthaus Zürich dann doch etwas Beklemmung.
„Viel auf einmal – aber gut, dass man sich des Themas intensiv annimmt.“
Walter Fink
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Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
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