Starker Tobak im Kosmodrom

Bei „Oder ein Schiefer im Stamm“ zeigte sich das große Interesse an der jungen Bühne des Theaters Kosmos.
Bregenz Schriftstellerinnen und Schriftsteller, mit denen das Theater Kosmos zusammenarbeitet, haben es gut. Erst Ende Juni letzten Jahres wurde mit „Immer wenn ich falle: Klippenspringerin“ ein Stück des in Wien lebenden Autors Raoul Eisele (geb. 1991) uraufgeführt. Damals handelte es sich um einen der Siegertexte jener Wettbewerbe, die das Vorarlberger Unternehmen bereits in mehreren Auflagen durchgeführt hat und für den die große Bühne im ehemaligen Fabrikareal in Bregenz reserviert wurde. Nun kam sein Drama „Oder ein Schiefer im Stamm“ im Kosmodrom zur Uraufführung.

Allerweltsthematik
Dieses Podium ist für Neulinge des Metiers sowie für kurze Stücke reserviert, die hier mit bemerkenswertem Engagement erarbeitet werden. Die Auswahl hat dieses Mal Michaela Vogel verantwortet, die vor wenigen Monaten die Kuratorenschaft in der Einrichtung übernommen hat, deren entdeckungsfreudiges Publikum mittlerweile derart angewachsen ist, dass die Größe des Raumes gerade noch ausreicht. Wie ihr jahrelang tätiger Vorgänger Stephan Kasimir übernimmt die Schauspielerin, die Theaterfreunde von einigen Kosmos-Produktionen kennen, mitunter auch die Inszenierung. So nun für „Oder ein Schiefer im Stamm“, einem Text, der, um es gleich zu erwähnen, nicht nur strukturelle Gliederung, sondern auch schauspielerischen Fugenkitt braucht, um zumindest ein wenig zur Wirkung zu kommen.
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Das dystopische Ambiente, das in „Klippenspringerin“ etwas hermachte, ist in „Oder ein Schiefer im Stamm“ weggehaucht, als zentrale Sujets sind das Unausgesprochene in einem Beziehungsgeflecht bzw. die verpasste Gelegenheit – und damit eine Allerweltsthematik geblieben.
Das soll nicht heißen, dass nach Tschechow, der dies durchdeklinierte, schon alles gesagt wäre, aber die Beerdigung der Mutter als Setting zu wählen und eine Tante auftreten zu lassen, um die konfliktreiche Elternbeziehung, Rangkämpfe in der Familienkonstellation und diskussionswürdige Rollenverständnisse oder Verschwiegenes zu thematisieren, das ist schon sehr einfach.

Valerie, die junge Frau, hat sich aus dem von der Mutter vorgezeichneten Lebensentwurf noch nicht befreit. Eine Aussprache hat nicht stattgefunden, sie zeichnet sich nun im Treffen mit der Tante zumindest ab. Ob der Dialog mit Hanni, der Person mit deformiertem Selbstwertgefühl, zur Aufarbeitung von prägenden Erlebnissen, vorgelebter Angepasstheit und den Folgen einer unterkühlten Atmosphäre beiträgt, bleibt offen.
Doppelgesichtigkeit
Michaela Vogel lässt daran in ihrer Inszenierung keinen Zweifel und tut damit das Richtige. Mit den noch in diesen Köpfen verankerten Vorstellungen umzugehen, nach denen sich die mit ihrer Biologie hadernden Frauen unterzuordnen, adrett auszusehen und Kinder zu gebären haben, ist in der westlichen Welt des 21. Jahrhunderts harter Tobak genug. „Eine Frau darf nie aufhören, an sich zu arbeiten“, heißt es da einmal. Nicht schlecht, wenn die für die Zusammenkunft nach der Beerdigung sauber gedeckte Tafel etwas ramponiert wird. Schön ist es vor allem, wie Carmen Jahrstorfer (Valerie) und Katja Klemt (Hanni) Buntheit in die Ausstattung von Klara Steiger bringen. Schwarze Kleidung, schwarze Servietten, graue Flaschenetiketten, graue Bilderrahmen ohne Bilder und ein kleines grasgrünes Podium für die Erinnerungen: Ob der Klischees im Text, ist das absolut passend, für die Schauspielerinnen sind das enorme Auflagen. Aber mit einer Doppelgesichtigkeit, die beide sehr deutlich, aber behutsam und mitunter überraschend an den Tag legen, wird die Produktion doch noch rund. Das Premierenpublikum hat sie sichtlich gut aufgenommen.
Weitere Aufführung am 28. Jänner, jeweils 20 Uhr, im Kosmodrom des Bregenzer Theaters Kosmos.

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