Sol Gabettas Hausmusik

Die Cellistin sprengt bei „Dornbirn Klassik“ alle herkömmlichen Grenzen.
FRITZ JURMANN
DORNBIRN Die Messestadt ist drauf und dran, mit Starglanz im Konzertbereich den übrigen Städten im Vorarlberger Rheintal den Rang abzulaufen. So debütierte am Donnerstag die aus Argentinien stammende, in der Schweiz lebende Weltcellistin Sol Gabetta (41) am Ende ihrer konzertanten Bodensee-Rundfahrt, die sie innerhalb einer Woche von Vaduz über Weingarten auch hierhergeführt hatte, rationell mit immer denselben beiden Beethoven-Sonaten im Gepäck. Das macht Sinn, und der Jubel des sonst eher zurückhaltenden „Dornbirn Klassik“-Publikums im wieder einmal vollbesetzten Kulturhaus ist ihr auch hier ebenso sicher wie die Zufriedenheit über den gelungenen Coup bei Kulturamtsleiter Roland Jörg.
Auch wenn Sol Gabetta bereits mehrfach bei den Bregenzer Meisterkonzerten mit Orchester oder von 2006 bis 2017 jährlich bei der Schubertiade im Solo oder als Kammermusikerin auftrat, wird dies ein ganz besonderer Abend. Nicht nur, weil hier auf einem unglaublichen Niveau musiziert wird, auch der Mut des Veranstalters, die breite Bühne anstelle eines großen Orchesters mit bloß zwei Künstlern kammermusikalisch zu besetzen, geht auf. Da ist keine Spur von Verlorenheit, Sol Gabetta und ihr aus Südafrika stammender Klavierpartner Kristian Bezuidenhout füllen mit ihrer Musik raumgreifend den großen Saal. Zugleich hat man den Eindruck, die beiden spielten in ihrem Wohnzimmer Hausmusik im Originalklang, so intim, oft verhalten, dann wieder himmelstürmend und vorwärtsdrängend ist ihre Musik.

Dazu steht den beiden auch wertvolles historisches Material zur Verfügung. Sol Gabetta lebt und leidet in ihrer zarten Mädchenhaftigkeit mit ihrem wunderbar sonoren Instrument, von dem nicht einmal Robert Schneider in seiner Einführung zu sagen weiß, ob es wirklich das berühmte “Bonamy Dobree-Suggia”-Cello von Antonio Stradivari aus dem Jahr 1717 ist, weil sie dieses immer wieder mit anderen Instrumenten auswechselt. Und ihr Begleiter Kristian Bezuidenhout reist auf der Tournee mit einem Fortepiano, einem kostbar weich klingenden Blüthner-Flügel von 1849 und entwickelt als Spezialist für historische Instrument darauf unglaubliche Geläufigkeit und enge Partnerschaft.
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Die Programmwahl besitzt deswegen besonderen Reiz, weil einander darin die erste und letzte Cellosonate Beethovens unmittelbar gegenübergestellt werden, dazwischen ein pralles Musikerleben. Hier das Frühwerk op. 5 von 1796 in F-Dur, das noch mozartsche Züge aufweist, dem Cello aber bereits deutliche Verantwortung überträgt – dort das Opus 102 in D-Dur, fast 20 Jahre später als Produkt eines gereiften Künstlers entstanden. Faszinierend, wie sich aus dem schmerzlich lyrischen Gesang des Mittelsatzes zum Finale hin eine meisterhafte Fuge entwickelt, die sich gewaschen hat und sogar diese beiden abgebrühten Künstler aufs Äußerste fordert.

Mendelssohn bringt nach der Pause die ersehnte Entspannung in einer verträumten, anmutigen Welt der Romantik, in der freilich auch kecke Kobolde aus dem „Sommernachtstraum“ auftauchen und damit für ordentlich Pfeffer sorgen. Auch hier heben die beiden Künstler mit ihrer Persönlichkeit, ihrem Charisma, ihrem Können das Werk aus den Niederungen des Gewöhnlichen auf ein kaum erträumbares gestalterisches Niveau.
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Das begeisterte Publikum beruhigt sich erst nach zwei Mendelssohn-Zugaben, einem halsbrecherischen Variationenwerk und einem sehnsüchtigen „Lied ohne Worte“, zum Weinen schön.
Abo-Konzert „Dornbirn Klassik“: 27. März, 19.30 Uhr, Kulturhaus
Stuttgarter Kammerorchester, Thomas Zehetmair, Dirigent, Pierre-Laurent Aimard, Klavier
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