Ein (Ver-)Führer für Opernfreunde

Der angesehene Musikkritiker Heinz Irrgeher erzählt amüsante „Wiener Operng’schichten“.
SACHBUCH Wenn man den Autor Dr. Heinz Irrgeher kennt, könnte man vermuten, er habe im Laufe seines langen Lebens fast ebenso viele Vorstellungen in der Wiener Staatsoper besucht wie sein legendärer Kollege Marcel Prawy, dem „Opernführer der Nation“, dem man nachsagte, er habe beinahe in der Oper gewohnt. Irrgehers Eindrücke, die er in seinem aktuellen Buch mit „Wiener Operng’schichten“ niedergeschrieben hat, gehen inhaltlich oft über das Haus am Ring hinaus in die unendlich weite Welt der Oper. Sie umfassen heiter Anekdotisches ebenso wie Erhellendes zu verqueren Opernlibretti. Da wird etwa von einem Wettbewerb unter eingefleischten Opernfans berichtet mit dem Ziel, scherzhaft die Handlung von Bizets „Carmen“ in einem Satz zu charakterisieren. Irrgehers Ergebnis: „Finanzbeamter ersticht wegen Scheiterns an hocherotischer Roma dieselbe wegen eines feschen Stierkämpfers.“
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Man erkennt daran den launig intellektuellen Schalk im Nacken des Autors. Dies erleichtert in seinem amüsanten (Ver-)Führer für Opernfreunde auch sein manchmal etwas schwer nachvollziehbares Vertiefen in komplexe Zusammenhänge von Bühnenhandlungen, vor allem dann, wenn man ein Werk nicht selber gut genug kennt. Der geneigte Leser sollte deshalb auch das gängige Repertoire sowie Wagners „Ring“ einigermaßen kennen, um Irrgehers hintergründigen Einlassungen über die vielfältigen psychologischen und philosophischen Verflechtungen der Protagonisten im Opus Magnum des Bayreuther Meisters kompetent folgen zu können.
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Der in Wien geborene Autor Dr. Heinz Irrgeher, kürzlich 80 geworden, war im Brotberuf Jurist und Bankkaufmann in gehobener Position. Als glühender Opernliebhaber seit seiner Schulzeit heuerte er irgendwann bei der inzwischen im Ausgedinge befindlichen „Wiener Zeitung“ als angesehener Musikkritiker an und war in dieser Funktion noch bis vor drei Jahren auf seiner Tour durch den Festspielsommer von Bayreuth bis Salzburg regelmäßig auch in Bregenz und bei der Schubertiade Schwarzenberg zugegen. Nach seiner Pensionierung schloss er noch ein Studium der Musikwissenschaft erfolgreich ab, bis ihn vor drei Jahren eine schwere Erkrankung an den Rollstuhl fesselte. Das bedeutete für den Unermüdlichen nun die Zeit der Bilanzierung, der Veröffentlichung seiner vielen Erinnerungen in Buchform, um die Leser in unaufdringlicher Form an seinem breiten und vertieften Wissensschatz um die Wiener Oper teilhaben zu lassen, verfeinert durch die Brillanz seiner sprachlichen Virtuosität.
Es ist ein besonderer Einfall in der Aufmachung dieser Neuerscheinung, dass Autor und Verlag in einer bislang kaum gekannten Form die frühen Jahre Irrgehers von Kindheit bis zum Studium zwischen dem Text in sieben kurzen Abschnitten auf in zartem Lila eingefärbten Seiten als „Curriculum vitae musicalis“ Revue passieren lassen – ein sehr persönlicher Rückblick auf ein bewegtes und bewegendes Leben mit und in der Oper. Und eine Offenbarung dafür, dass er als junger Pianist und gesuchter Chorsänger auch die musikalische Praxis hautnah miterlebt hat: „Damals probierte ich aus, wie es ist, während des Konzerts inmitten der brausenden Musik von Chor, Orchester und Solisten schweigend zu stehen, um die Musik zu spüren, merkte aber sofort, dass es ein unvergleichlicher Zustand ist, selbst doch mitwirkender Teil der Musik zu sein – dieses Erlebnis ist eines der glücklichsten meines Lebens.“
Ju
Wiener Operng’schichten, aufgeschrieben von Heinz Irrgeher
Leipziger Universitätsverlag, 232 Seiten