Vorarlberger Uraufführung, die auf Wertschätzung basiert

Kultur / 13.02.2023 • 17:10 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Es wird spannend: Komponist Georg Friedrich Haas schrieb mit "Solstices" ein Stück, das in Dunkelheit zu spielen ist, Brigitte Walk setzt es mit ihrem Tanzteam und dem Ensemble Plus in Dornbirn um. <span class="copyright">Walktanztheater/Mistura, Hoffmann</span>
Es wird spannend: Komponist Georg Friedrich Haas schrieb mit "Solstices" ein Stück, das in Dunkelheit zu spielen ist, Brigitte Walk setzt es mit ihrem Tanzteam und dem Ensemble Plus in Dornbirn um. Walktanztheater/Mistura, Hoffmann

Komponist Georg Friedrich Haas und Tanztheaterleiterin Brigitte Walk sprechen über ein Projekt, das sie verbindet.

New York, Dornbirn „Ich kenne Brigitte Walk seit Langem und schätze ihre Arbeit sehr. Daher habe ich es gewagt, ihr dieses Stück anzuvertrauen,“ erzählt Georg Friedrich Haas. Mit den VN spricht er über ein Projekt, das demnächst in Dornbirn zur Uraufführung kommt. Die erfolgreiche Vorarlberger Künstlerin widmet sich in ihrem Walktanztheater beiden Genres, dem Theater und dem Tanz. 

"Solstices", komponiert von Georg Friedrich Haas, wird am 16. Februar in Dornbirn vom Walktanztheater und dem Ensemble Plus uraufgeführt. <span class="copyright">Walktanztheater/Sarah Mistura</span>
"Solstices", komponiert von Georg Friedrich Haas, wird am 16. Februar in Dornbirn vom Walktanztheater und dem Ensemble Plus uraufgeführt. Walktanztheater/Sarah Mistura

Zum 70. Geburtstag von Haas, dem in Graz geborenen, in Vorarlberg aufgewachsenen und mittlerweile mit renommierten Preisen ausgezeichneten Komponisten und Universitätsprofessor in New York, der mit der bei den Bregenzer Festspielen 1996 uraufgeführten Oper „Nacht“ sozusagen seine internationale Laufbahn startete, hatte sie sich eine Zusammenarbeit gewünscht.

„Bei jeder Einstudierung, vielleicht sogar bei jeder Aufführung klingt ,Solstices‘ anders.“<span class="copyright">Sarah Mistura</span>
„Bei jeder Einstudierung, vielleicht sogar bei jeder Aufführung klingt ,Solstices‘ anders.“Sarah Mistura

Brigitte Walk schätzt seine Offenheit in der Auseinandersetzung über Musik und Kunst, die beide seit Jahren in Gesprächen pflegen: „Seine Kompositionen sind politisch gemeint. Es geht ihm darum, wie Menschen zusammenleben. Manches hat mich erschüttert, ich habe seinen Mut und seine Klarheit aber immer bewundert.“ Damit spricht Walk auch sein jüngst erschienenes Buch „Durch vergiftete Zeiten an“ an, in dem Haas die Zeit des Nationalsozialismus sowie die offen faschistische Gesinnung in Österreich nach 1945 thematisiert, die ihn familiär tangiert hatte.

Herausforderung und Chance

Die Werkliste von Haas enthält mittlerweile mehrere Opern, zahlreiche Orchester-, Ensemble- und Solowerke sowie Kammermusik. „Solstices“ wurde 2019 vom Riot Ensemble uraufgeführt. Haas: „Vieles ist frei notiert, bei jeder Einstudierung, vielleicht sogar bei jeder Aufführung klingt ,Solstices‘ anders. Das ist eine große Herausforderung, aber auch eine große Chance für das Zusammenspiel zwischen dem Walktanztheater und dem Ensemble Plus, zwischen den beiden künstlerisch aufregenden Persönlichkeiten Brigitte Walk und Guy Speyers.“

Guy Speyers ist Leiter des Ensemble Plus. <span class="copyright">Walktanztheater/Sarah Mistura</span>
Guy Speyers ist Leiter des Ensemble Plus. Walktanztheater/Sarah Mistura

Bei der Aufführung mehrerer Werke von Georg Friedrich Haas ist Dunkelheit vorgeschrieben. Das gilt auch für „Solstices“, zu übersetzen mit Sonnenwenden. Dass man für diese Uraufführung mit Tanz davon Abstand nehmen muss, steht fest, es stellt sich aber die Frage, ob der Komponist eine Vorstellung davon hat, wie die Tänzerinnen und Tänzer die Klänge spiegeln. „Ich habe keine Vorstellung davon und will auch keine haben. In anderen Werken habe ich sehr genaue zeitliche Vorgaben gegeben – z.B. in der ,Symphonie für Tanz, Licht und Orchester‘ –, hier nicht. Dass die Aufführung in Dunkelheit beginnt, ist z. B. eine freie Entscheidung von Brigitte Walk. Nicht die Befolgung einer ,Vorschrift‘ des Komponisten.“ 

Konzentriert aufeinander hören

Brigitte Walk hört in der Musik „gewisse dramaturgische Vorgaben. Die Schönheit des nicht unbedingt vordergründig Harmonischen haben wir versucht in die Tanzsprache umzusetzen.“ Zudem gibt es, wie Walk erklärt, improvisatorische Möglichkeiten für die Musikerinnen und Musiker. Georg Friedrich Haas erläutert die dramaturgische Bedeutung der Dunkelheit, die die Wahrnehmung beeinflusst, so: „In der Kunst geschieht nie etwas nur aus einem einzigen Grund. Einfach ,Licht aus!‘  hinzuschreiben und zu komponieren wie immer – nein, das würde nicht funktionieren.

Thomas Gertner.<span class="copyright">Sarah Mistura</span>
Thomas Gertner.Sarah Mistura

Jürg Frey von der NZZ hat darauf aufmerksam gemacht, dass das Musizieren in der Dunkelheit einen besonderen Typ von Musikerinnen und Musikern erfordert. An die Stelle von Verwirklichung der ,Befehle‘ (von Dirigent und Komponist gegeben) tritt ein kollektives Verantwortungsgefühl, tritt die Notwendigkeit, konzentriert aufeinander zu hören und gemeinsam die gewünschte Musik zum Erklingen zu bringen. Brigitte Walk überträgt das ins Tanztheater.“

Gruppenbild vor den Proben mit dem Ensemble Plus, den Tänzerinnen und Tänzern sowie Theaterleiterin Brigitte Walk. <span class="copyright">Walktanztheater/Sarah Mistura</span>
Gruppenbild vor den Proben mit dem Ensemble Plus, den Tänzerinnen und Tänzern sowie Theaterleiterin Brigitte Walk. Walktanztheater/Sarah Mistura

Sie habe trotzdem Zweifel gehabt, verrät Choreografin Elisabeth Orlowsky: „Es ist ein hoher Berg, den wir da besteigen. Ich arbeite viel mit zeitgenössischer Musik, wenn man so einen Berg besteigt, erhält man aber eine neue Perspektive. Es war eine schöne Reise mit den sechs Tänzerinnen und Tänzern.“

Choreografin Elisabeth Orlowsky vergleicht die Arbeit mit der Besteigung eines hohen Berges. <span class="copyright">Rainer Warrings</span>
Choreografin Elisabeth Orlowsky vergleicht die Arbeit mit der Besteigung eines hohen Berges. Rainer Warrings

Nachdem die Ausführenden selbst auch Erfahrungen im Erstellen einer Choreografie haben, wurde einiges gemeinsam entwickelt. Während die Rabenköpfe, die einmal als Kostüme zum Einsatz kommen, für die Nachtseite oder die Ängste stehen, hat sich Orlowsky bei der Suche nach der Sprache für das Dunkle auch von Malerei inspirieren lassen. Im Kunsthistorischen Museum setzte sie sich etwa mit Werken von Caravaggio auseinander, interessanterweise fand sie auch in Arbeiten des Bregenzers Rudolf Wacker das, wonach sie suchte.

Premiere von „Solstices“ am 16. Februar, 19.30 Uhr, im Dornbirner Kulturhaus. Weitere Aufführungen: 18., 21. und 22. Februar, jeweils 19.30 Uhr, 19 Februar, 10 Uhr.

Der Komponist Georg Friedrich Haas lebt in New York, unterrichtet an der Columbia University und wurde in den letzten Jahren mit renommierten Preisen ausgezeichnet. <span class="copyright">Harald Hoffmann</span>
Der Komponist Georg Friedrich Haas lebt in New York, unterrichtet an der Columbia University und wurde in den letzten Jahren mit renommierten Preisen ausgezeichnet. Harald Hoffmann

„Bei jeder Einstudierung, vielleicht sogar bei jeder Aufführung klingt ,Solstices‘ anders.“

Georg Friedrich Haas, Komponist

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