Harter Sparkurs bei Kultur und Sport im ORF

Kultur / 20.02.2023 • 18:15 Uhr / 8 Minuten Lesezeit
Harter Sparkurs bei Kultur und Sport im ORF
Auch ORF-Generaldirektor Roland Weißmann muss das Geld im Auge behalten. Canva, APA/EVA MANHART

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann setzt die Sparforderungen der Medienministerin um. Die Details zur geplanten Haushaltsabgabe bleiben aber weiter offen.

Von Magdalena Raos und Maximilian Werner

Wien Der ORF muss sparen. So viel steht fest und ist auch mehrfach von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) gefordert worden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk solle für die Bevölkerung billiger werden, meint die Ministerin. Gleichzeitig dürfte die bisherige GIS-Gebühr durch eine Haushaltsabgabe ersetzt werden. Darüber finden gerade Verhandlungen mit den Grünen statt.

Die Neuregelung der Finanzierung ist bis 2024 nach einer entsprechenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs notwendig geworden. Wie die künftige Abgabe gestaltet wird und wie hoch sie sein könnte, ist noch nicht klar. Es zeichnet sich aber ab, wo der ORF sparen muss. Experten sehen das kritisch.

Spartensender auf dem Prüfstand

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann präsentierte dem Finanzausschuss des Stiftungsrates am Montag seine Sparpläne für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Bis 2026 soll der ORF – laut den Vorgaben Raabs – rund 300 Millionen Euro einsparen. Auf der Liste der Einsparungen, die Weißmann vorgelegt hat, befindet sich das Radio-Symphonieorchester (RSO) des ORF. “Es geht hier wirklich um eine Einstellung”, bestätigte die künstlerische Leiterin des RSO, Angelika Möser. Doch eine Entscheidung sei noch nicht gefallen. Sie wolle um den Fortbestand kämpfen. Besprochen wurde auch die mittelfristige Schließung des Spartenkanals ORF Sport+ – der Spartenkanal soll teilweise zu ORF 1 und ins Digitale migriert werden – und der Streaming-Plattformen Flimmit und fidelio.

“Der ORF hat in der Vergangenheit immer wieder gespart”, betonte Weißmann bei einem Pressegespräch im Anschluss an die Sitzung. Nun werde erneut auf ein “Maßnahmenbündel” gesetzt, das bei Personal- als auch Sachkosten ansetze. Dabei stehe man noch am Anfang eines Budgetprozesses, betonte er. ORF Sport + ist laut ORF-Gesetz nur “nach Maßgabe der wirtschaftlichen Tragbarkeit” zu betreiben. Auf dem Spartensender bekommen Sportarten und -bewerbe Sendezeit, denen in der österreichischen Berichterstattung üblicherweise sonst kein breiter Raum zukommt. Premium-Sportbewerbe dürfen dort nicht ausgestrahlt werden. Die Aufwendungen für den Sender dürften sich pro Jahr im hohen einstelligen Millionenbereich befinden.

Fritz Hausjell hat die Sparpläne für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk genau im Auge. <span class="copyright">APA/Robert Jäger</span>
Fritz Hausjell hat die Sparpläne für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk genau im Auge. APA/Robert Jäger

Die Sparansage der Politik hält Fritz Hausjell grundsätzlich für paradox. Der Medienwissenschaftler und Präsident von “Reporter ohne Grenzen” Österreich gibt zu bedenken, dass der zum Teil werbefinanzierte ORF in der schwierigen Coronazeit, abgesehen von der Kurzarbeit, keinerlei Unterstützung erhalten hätte. „Das Programm musste trotzdem gemacht werden, sogar mehr. Und der Informationsbereich ist bekanntlich einer der teuersten.“ Zweitens verweist Hausjell auf die hohe Inflation, die auch den ORF treffe. Seit Jahren liegen die Erhöhungen der GIS-Gebühr laut dem Experten deutlich unter der Gesamtinflation.

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Digitalnovelle fehlt weiter

In eine ähnliche Kerbe schlägt Leonhard Dobusch, Wirtschaftswissenschaftler und Mitglied des ZDF-Verwaltungsrates im VN-Gespräch: “Dass man in derselben Legislaturperiode, in der man private profitorientierte Presseverlage mit Digitalisierungsförderungen ausgestattet hat, vom ORF eine Einschränkung seines Angebots verlangt, ist bemerkenswert.” Die politische Einstellung werde aus den Aussagen Raabs aber klar, so Dobusch: “Das lässt den Schluss zu, dass man kein Interesse an einem starken und unabhängigen ORF hat, dass man eine Schwächung dieses Gegengewichts in der Demokratie möchte.”

Harter Sparkurs bei Kultur und Sport im ORF
Leonhard Dobusch (Universität Innsbruck) kritisiert die Sparforderungen der Politik in Richtung ORF. ORF/Hans Leitner

Das zeige sich auch an den fehlenden gesetzlichen Möglichkeiten für den Rundfunk, was zum Beispiel die Produktion von Inhalten für das Internet betrifft: “Dass er Bildungs- und Informationsinhalte nach einer gewissen Zeit wieder löschen muss, ist ein Verbrechen.” Eine Digitaloffensive gehöre zu den wichtigsten Punkten für einen in Zukunft starken ORF, so Dobusch. Und diese müsse, sobald sie gesetzlich erlaubt wird, auch durch Umschichtungen innerhalb des Hauses finanziert werden können.

Dazu komme, so Hausjell, dass dem ORF seit langer Zeit Sparprogramme verordnet würden. Dies mache sich beim Personal bemerkbar, nicht aber bei den Leistungen. Im Gegenteil. Er kritisiert Raab vor diesem Hintergrund deutlich, insbesondere für ihre Aussage, dass das Geld auch für den ORF nicht “auf den Bäumen” wachse. Der Medienwissenschaftler betont: „Ganz sicher wächst Qualitätsjournalismus nicht auf den Bäumen.“

“Mit Sparpaket ist ein günstigerer ORF-Beitrag für Haushalte vorstellbar. Österreicherinnen und Österreicher, die den ORF finanzieren, sollen weniger zahlen als bisher.”

Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) vergangene Woche über die Zukunft des ORF

Soziale Staffelung erwünscht

Das RSO ist Hausjell zufolge klar Teil des Kernauftrags. Es erbringe vielfältige Leistungen. „Viele österreichische Komponistinnen und Komponisten leben davon, da die moderne Musik vielfach nicht marktgängig ist.“ Bei ORF Sport+ stünden wiederum Sportarten im Rampenlicht, „die bisher nicht die Chance hatten, zu höherer medialer Aufmerksamkeit zu kommen”. Es gehe beispielsweise auch um Inklusion.

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Die Einführung einer Rundfunkabgabe für jeden Haushalt – bei sozialer Bedürftigkeit kann bisher eine Befreiung beantragt werden – hält der Medienexperte wiederum für sinnvoll. Darüber seien sich die meisten wissenschaftlichen Kolleginnen und Kollegen einig. „Das entspricht einerseits dem technischen Stand der Zeit, zweitens handelt es sich bei der bisherigen Überprüfung der Haushalte um einen massiven Eingriff in die Privatsphäre.” Drittens falle das bisherige Kontrollsystem weg. Die Höhe der Abgabe müsse indes noch geklärt werden, ebenso wie Befreiung, wie es sie jetzt schon bei der GIS gebe. Hausjell empfiehlt darüber hinaus eine soziale Staffelung des Betrags. Das sieht auch Leonhard Dobusch so: “Warum nutzt man diese Chance jetzt nicht dafür, etwa einen ermäßigten Tarif einzuführen?”

Mit einer Umstellung von gerätegebundener Gebühr hin zu geräteunabhängiger Haushaltsabgabe fallen die Kontrollbesuche von GIS-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern der ORF-Gebührentochter weg. Damit sinkt wohl der finanzielle Aufwand. Das ORF-Tochterunternehmen werde es in der gegenwärtigen Größe nicht mehr geben, so Weißmann. Sie werde “deutlich redimensioniert”. Denkbar sei, dass die Haushaltsabgabe vom gleichen Unternehmen eingehoben oder eine neue Gesellschaft gegründet werde, die auf Expertinnen und Experten der GIS setze, sagte Weißmann. Auch die gegenwärtige mit dem ORF-Programmentgelt eingehobene Länderabgabe könnte weiterhin von der GIS eingehoben werden. Ob es auch so sein wird, liegt beim Gesetzgeber.