Wenn die Orgel Walzer tanzt

Buntes Faschingsprogramm mit Helmut Binder und seiner „alten Dame“ von Herz-Jesu.
BREGENZ Es ist längst eine Never Ending Story, was sich da jeden Rosenmontag im neugotischen Backsteinbau der Herz-Jesu-Kirche abspielt. Der Andrang ist groß, alle wollen sie beim traditionellen „Orgelfasching“ – wie seit gefühlten über 20 Jahren immer wieder – den Meisterorganisten Helmut Binder mit seiner tanzenden Orgel erleben. Dabei hat die „alte Dame“, die Josef Behmann anfangs der Dreißiger des vorigen Jahrhunderts in ihrer beeindruckenden Monumentalität erschaffen hat, bald schon den Hunderter auf dem Buckel, ein gerade für ein so diffiziles und feingliedriges Instrument beachtliches Alter.

Binder und sein Team haben dort vor genau 25 Jahren die derzeitige Konzertreihe „Musik in Herz-Jesu“ eingerichtet, man ist auch um das Wohlergehen ihres klingenden Prachtstücks bemüht, das als „Hochrangiges Klangdenkmal“ und „Vorarlberger Kulturgut ersten Ranges“ unter Denkmalschutz steht, und hat ihm vor zwei Jahren wieder mal eine ordentliche Frischzellen-Kur verpasst. Und ein weiteres Register dazu. Dies alles beflügelt seither auch die Klangfantasie des Organisten aufs Neue und entzückt damit von Mal zu Mal auch seine Fans und Freunde, ebenso wie bei der traditionellen Orgelweihnacht. Allerdings bedarf es diesmal vor allem für Zuhörer aus dem Oberland einer großen Portion Geduld und starker Nerven, um angesichts eines totalen Verkehrschaos in Bregenz, ausgelöst durch einen Unfall im Pfändertunnel, überhaupt noch zeitgerecht anzureisen.

Helmut Binder und seine „Hausorgel“ – die beiden sind seit 40 Jahren ein unzertrennliches, auch irgendwie emotional verbundenes Gespann. Denn keiner beherrscht dieses Ungetüm so virtuos wie er, entlockt ihm durch geschicktes Registrieren und guten Geschmack die vielfältigsten Klänge. Da dominiert diesmal als eine Art „roter Faden“ der Dreivierteltakt – angefangen von der klassischen „Aufforderung zum Tanz“ von Carl Maria von Weber und der parfümierten Valse in As-Dur von Chopin über ein Stück des Ragtime-Königs Scott Joplin bis zur genialen „Fledermaus“ des Walzerkönigs Johann Strauß.
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Virtuos geleitet von einem künstlerischen Geist schwebt da die alte Dame mit ihrem beträchtlichen Gewicht wie schwerelos durch den Raum. Mozarts „Türkischer Marsch“ und Tschaikowskys „Tanz der Rohrflöten“ aus dem „Nußknacker“ bringen neue Rhythmen ins Spiel und leiten über zum mit Spannung erwarteten Finale grande. Diesmal verströmt der Organist seine fantasievolle, viel bewunderte Improvisationskunst an einem Tongemälde mit dem Titel „Das Raumschiff Enterprise landet im Bregenzerwald“. Da zieht Helmut Binder nun wörtlich alle verfügbaren Register und spannt den Bogen bis zum alten Volkslied „Es Burabüebli mag i nit“, mit dem er an seinen kürzlich verstorbenen Freund und einstigen Orgellehrer Günther Fetz erinnert.

Neben dem akustischen Eindruck im mächtigen Kirchenraum ergibt sich für die Zuhörer auch eine optische Dimension. Wieder überträgt der Filmclub Bludenz das Geschehen per Video mit mehreren Kameras qualitativ hochwertig auf eine Großleinwand im Altarraum, samt dem nach Schwierigkeitsgrad der Stücke variierenden Gesichtsausdruck des Interpreten, dem flinken Manualwechsel seiner Hände und der Pedalarbeit mit den knallroten Socken – das ist Orgelkino vom Besten!
FRITZ JURMANN
Nächstes Konzert in Bregenz Herz-Jesu: 26. März, 17.00 Uhr – „Alte Meister“ (Ensemble Angelika Gallez)
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