Das Unsichtbare sichtbar machen

Im Kunstraum Dornbirn ist die Ausstellung „on/“ der Künstlerin Judith Fegerl zu sehen.
Dornbirn „Es werde Licht“ oder besser „Strom fließt“ heißt es derzeit im Kunstraum Dornbirn, wo die österreichische Künstlerin Judith Fegerl (* 1977) mit ihren Werken nahezu mit der Ausstellungshalle, einer ehemaligen Montagehalle, symbiotisch verschmolzen ist. Damit der Strom fließt, wurde eigens für die Ausstellung ein Solarkraftwerk konzipiert, sprich eine Photovoltaikanlage an der Südseite des Hauses angebaut, gut 40 m² mit 8 kWp (Kilowattpeak).

Das Gebäude samt Innenleben ist also während der gesamten Ausstellungsdauer autark, der Mehrstrom, der erzeugt wird, wird ins Netz eingespeist. Alles in der Ausstellung dreht sich um Energie, also Strom. Ohne Strom, das wissen wir nicht erst seit der Blackoutbroschüre, die das Land Vorarlberg verteilen ließ, wird es ungemütlich. Ohne Energiefluss droht der Zusammenbruch. Die Abhängigkeit von Energie wird in der Ausstellung visualisiert.

„Alles, was die Ausstellung kann, wird sichtbar gemacht”, so der Kurator und Direktor des Kunstraums, Thomas Häusle. Im Innenraum des Ausstellungsraums kann man durch eine geöffnete Tür einen Blick auf die Rückseite der Solaranlage werfen. Zugegeben, das ist nicht so spannend. Paneele, Solarzellen, Wechselrichter etc. Prickelnder hingegen und stimulierend sind Fegerls Stahlstelen oder der Elektromagnet.

Fünf leicht geneigte Stahlstelen mit dem Titel „moment“ (2023) mit einer Höhe von drei Metern und einem Durchmesser von ca. 30 Zentimetern, flankieren die linke Längsseite des Kunstraums. Jede Stele ist in zwei ungleiche Abschnitte geteilt, die nur durch ein kupferfarbenes Element (ein starkes Magnet) zusammengehalten werden und somit in einer Balance.

Sie mit Muskelkraft auseinanderzudividieren ist unmöglich, da es diesbezüglich schon eine Kraftanstrengung von ca. eineinhalb Tonnen braucht. Wesentlich meditativer, aber auch dynamischer, generiert sich Fegerls Arbeit „profound understanding“.

Ein Magnet, der an einem Seilzug hängt, liegt auf einem pyramidenförmigen Haufen Eisengranulat. Sobald der Magnet aktiviert wird, also mit Strom versorgt wird, und hochgezogen wird, trennt er eine von elektromagnetischen Kräften angezogene Granulatmasse vom restlichen Haufen ab.

Dabei entstehen einzigartige, man ist geneigt zu sagen, Skulpturen, die an die aus Wüstensand aufgetürmten Gesichter und Figuren aus dem Film „Die Mumie“ (1999) erinnern. Was sonst unsichtbar und formlos ist – Elektromagnetismus – wird urplötzlich zur formschaffenden, zur schöpferischen Kraft. Noch eindringlicher, effektvoller und außergewöhnlich, ein in Kunstharz eingegossener „Blitz“.

Einen gewaltigen Stromstoß hat das AIT (Austrian Institute of Technology) in ein Sandbett einschlagen lassen. Die dabei entstandene Hitze ließ den Quarz im Sand schmelzen und zu einem anmutenden Gebilde erstarren (erinnert seiner Form nach an eine Nabelschnur!). Die Blitze des Zeus werden endlich für die Ewigkeit konserviert und nicht nur als sekundenhafte Lichterscheinung am Firmament wahrgenommen. Blitze galten schon von alters her als Gottes Strafe, aber genau genommen, sind sie Gottes Barmherzigkeit. Denn ohne sie ist Leben auf diesem Planeten unmöglich. Fegerl versteht nicht nur uns Energie als hochpolitischen Stoff zu präsentieren, sie eröffnet mit ihrer Kunst zeitbasierte, transformative, schöpferische Prozesse, die so noch nicht gesehen worden sind. Chapeau!
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