Geraubt und gefälscht
Wenn wir einmal das Glück haben, in ein bedeutendes Museum zu kommen, dann stehen wir ehrfürchtig vor den Zeugen der Antike oder den Künstlern unserer Zeit. Wir erschauern, weil wir den größten Kunstwerken der Welt so nah sind. Doch wissen wir, ob diese Kunstwerke tatsächlich dem Museum gehören? Oder ist es möglicherweise Raubkunst? Wobei wir solche Raubzüge nicht nur mit den Nationalsozialisten verbinden müssen, die Kunst überall mitgenommen haben, besonders von Juden, die man dann im Konzentrationslager ermordete. Kunstraub gab es schon viel früher im großen Stil, Napoleon zum Beispiel hat gerne Kunst aus besiegten Gebieten in französische Museen gebracht. Aber auch Ausgräber haben bedeutende historische Stücke aus Ägypten oder Griechenland in die deutschen oder englischen Museen „überführt“.
So kam etwa der Pergamon Altar aus der Türkei oder auch die Büste der Nofretete aus Ägypten in die Museen in Berlin, so kam der Parthenon-Fries von der Akropolis in Athen ins British Museum in London oder auch die Federkrone Montezumas aus Mexiko ins Weltmuseum nach Wien. Die Museen der Welt sind voll mit Raubkunst aus ehemaligen Hochkulturen aus Europa, Afrika und Südamerika. Und erst in jüngerer Zeit sind die Räuber bereit, mit den Beraubten über Rückgaben zu reden, ähnlich wie es Jahrzehnte gedauert hat, bis manche jüdische Nachfahren der im KZ Umgebrachten langsam wieder über Restitutionen zu ihrem Eigentum kommen.
Die Museen aber sind nicht nur voll von gestohlenen Kunstwerken, sie sind ebenso voll von Fälschungen. Wenn wir vor einem aus der Kunstgeschichte bekannten Bild stehen, können wir oft nicht sicher sein, dass es sich hier um das Original handelt. Das kann einen ganz harmlosen Grund haben: Die Museen schützen ihre größten Schätze oft dadurch, dass sie statt des Originals eine perfekt gemachte Fälschung aufhängen, um das wertvolle Stück vor Diebstahl oder Beschädigung zu schützen. Das Original steht dann im Depot des Hauses. Das ist der beste Fall, der schlechtere ist, dass es sich um eine nicht erkannte Fälschung handelt. Kenner schätzen den Anteil der Falsifikate in deutschen Museen auf rund 25 Prozent. Also: Jedes vierte Bild, das wir in den großen Museen bewundern, ist eine Fälschung. Und man glaube nicht, dass Fälschungen nur in den obersten Schichten der Kunst vorkommen. Auch bei uns wurde und wird an der Echtheit so mancher Vorarlberger Kunstwerke gezweifelt.
Also: Zu viel Ehrfurcht in den Museen scheint nicht angebracht. Dazu kommt: Wenn die Fälschung so gut ist, dass sie nicht einmal von besten Fachleuten erkannt wird, dann spielt es für mich keine Rolle, ob da das Original oder das Falsifikat hängt. Ich erkenne es ohnehin nicht und freue mich, dass ich dieses Bild endlich einmal in Ruhe betrachten darf. Ob Original oder gefälscht.
„Die Museen der Welt sind voll mit Raubkunst aus ehemaligen Hochkulturen aus Europa, Afrika und Südamerika.“
Walter Fink
walter.fink@vn.at
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
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