Wo das Publikum zum Mitspieler wird

Theater Karussell verleiht der Politkomödie „Extrawurst“ besondere Schärfe.
Schaan Aus dieser Nummer kommen sie nicht mehr raus. Deshalb ist es auch gut, wenn das Stück „Extrawurst“ ohne Lösung endet. Das bunt drapierte Buffet, auf dem Softgetränke neben Wein und Bier, Süßes neben Herzhaftem und Salat neben Wurst ein schönes, diverses Bild ergeben, spiegelt sich nicht in der Mitgliederschaft eines Tennisclubs wider. Auf der Generalversammlung wird beschlossen, dass vor dem Sommerfest ein neuer, leistungsstarker Grill angeschafft wird.

Der Einwurf, ob man für einige Sportler und Gäste, die aus religiöser Überzeugung kein Schweinefleisch essen, nicht gleich ein zweites Gerät kaufen sollte, führt zu einem Zerwürfnis, das das Theater Karussell nun mit allen Regeln guter Komödienkunst aufblättert. Die Lacher sind garantiert und das Diskussionsthema für die Heimfahrt ist vorprogrammiert.

Das Ensemble wurde vor knapp zwanzig Jahren als Impulsgeber für den Zusammenschluss von Profischauspielern und engagierten Amateuren in Liechtenstein, der Schweiz und Vorarlberg gegründet. Es holte sich für die Inszenierungen namhafte Experten wie etwa Brigitte Walk, Stephan Kasimir, Urs Bircher, Brigitta Soraperra, Niko Büchel oder Andreas Jähnert, wagte sich an Klassiker wie Goethes „Faust“ sowie an brisante Themen wie den Kindesmissbrauch mit “Das Fest“ von Vinterberg/Rukov und arbeitet mittlerweile in Kooperation mit dem Theater am Kirchplatz in Schaan. Dort fand nun auch die Premiere von „Extrawurst“ statt.

Publikum stimmt ab
Wie im Text vorgegeben, wird es im Saal nicht dunkel, das Publikum bildet die Vereinsversammlung, aus der sich einzelne Mitglieder durch Wortmeldungen lösen, auf der Bühne agieren und wieder in die Reihen zurückkehren. Auch Katrin Hilbe, eine erfahrene Opernregisseurin, setzt bei ihrem Engagement in der Liechtensteiner Heimat auf den Effekt, die Zuschauer unmittelbar in das Geschehen miteinzubeziehen. Es darf auch einmal abstimmen und erhöhte bei der Premiere in Schaan eindeutig die Zahl jener Aufführungen des vor allem in Deutschland viel gespielten Stücks, bei denen man sich für den Erwerb eines zweiten Grills entschied.

Ein Toleranzpunkt für Liechtenstein und die Bestnote für das Theater Karussell. Mit einer durchgehend gut gewahrten leichten Überzeichnung im Spiel bleibt es dieses Mal stets im Modus eines Kabaretts. Gut so. Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob, die beide auch als Satiriker und Autoren für Comedians bekannt sind, hauen in den Dialogen zwischen den deutschen und einem türkischen Vereinsmitglied, zwischen jenen, die die rassistischen Untertöne rasch entlarven und jenen mit Nachholbedarf hinsichtlich Reflexionsfähigkeit, derart viele Vorurteile und Klischees raus, dass sich kein Diskurs entspinnen kann. Er wird aber angestoßen, denn natürlich haben sich die Autoren im Alltag umgehört und sie lassen grobe Untergriffe auch nicht einfach stehen.

Gut im Auge behalten
Ein günstiges Tempo, die Art, wie die Masken fallen, das Agieren ins Publikum sowie den Schlagabtausch untereinander kriegt das Ensemble mit Thomas Hassler, Ute Hoffmann, Mustafa Kara, David Kieber und Zeno Langenbahn, den Akteuren aus Liechtenstein und Österreich, in eindrucksvoller Einheitlichkeit hin. Die Bühnenelemente mit Sportplatzprojektionen und dem mehrdeutigen Tenniszaun von Fenna von Hirschheydt sind ebenso passend wie die Alltagskostüme von Annette Ospelt.

Einen Aspekt, der bei all dem eingestreuten Witz leicht untergehen könnte, behält Regisseurin Katrin Hilbe gut im Auge: In einer Gemeinschaft, der seit Jahren ein manipulativ agierender, seinen autokratischen Führungsstil jovial verschleiernder Obmann vorsteht, konnte sich die Gesprächskultur kaum entwickeln. Sie erhält hier somit besondere Schärfe, diese „Extrawurst“.

Weitere Aufführungen von “Extrawurst” am 2. und 3. März im Theater am Kirchplatz in Schaan sowie Gastspiele im April und Mai in Mels und Maienfeld.
Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.