Boléro – Les Amériques

Großartiges Tonhallekonzert in St. Gallen.
St. Gallen Wie erfreulich es ist, dass immer mehr Frauen in eine der letzten Männerdomänen eindringen, stellte die Dirigentin Simone Menezes (46) am Sonntagabend beim Tonhallekonzert in St. Gallen eindrucksvoll unter Beweis. Wenn ein Schweizer Orchester, auch wenn es auf dem Niveau des Sinfonieorchesters St. Gallen ist, lateinamerikanische Musik mit so viel Temperament und gleichzeitig Gefühl spielt, dann lag das mit Sicherheit an der unfassbar talentierten Brasilianerin.

Die Dirigentin schloss ihr Studium an der Pariser Ecole Normale de Musique innerhalb von nur einem Jahr ab und leitete bereits in jungen Jahren führende Orchester wie das Nationale Symphonieorchester Brasiliens, Orchestre National d’Île-de-France oder das Osaka Philharmonic Orchestra.

Einer ihrer wichtigsten Mentoren ist Paavo Järvi (60), mit dem sie gemeinsam lange Jahre mit dem Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks, dem Concertgebouworkest in Amsterdam, den Wiener Symphonikern und der Staatskapelle Berlin zusammenarbeitete.
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Simone Menezes startete den Konzertabend mit einer musikalischen Morgendämmerung in einem tropischen Wald, wie sie der brasilianische Komponist Heitor Villa-Lobos in „Alvorada na floresta tropical“ bildreich und klangstark in Töne fasste. Durch Astor Piazzolla fand der argentinische Tango nach St. Gallen, und mit ihm auch das typische Tango-Instrument Bandoneon, ein Verwandter des Akkordeons. Für dieses schrieb Piazzolla ein Solokonzert mit Orchester – ein Höhepunkt im Schaffen des Tango-Erneuerers, benannt nach dem höchsten Gipfel der Anden „Aconcagua“.
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Solist Marcelo Nisinman (52) beherrscht wie kaum ein zweiter das Bandoneon, entlockt dem Instrument die zartesten Töne, nur um wenig später argentinische Lebensfreude zu verbreiten. In Buenos Aires geboren, studierte Nisinman Bandoneon in Buenos Aires, schloss ein Kompositionsstudium an der Musikakademie Basel ab und spielt seit vielen Jahren mit den besten Orchestern.

Nach der Pause folgte Aaron Coplands „Appalachian Spring“, mit dem der Komponist der amerikanischen Kultur, insbesondere den Pionieren im Nordteil des Kontinents, ein nachhaltiges musikalisches Denkmal setzte. 1944 in der Library of Congress in Washington uraufgeführt, wurde das Werk von den New Yorker Kritikern begeistert aufgenommen und von den Juroren des Pulitzer Preises prämiert.
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Der Mann ist ja verrückt, meinte ein Besucher am Abend der Uraufführung des „Boléro“, fünfzehn Minuten lang immer derselbe Rhythmus, dieselbe Tonart und nur zwei Melodien, die einander auch noch frappant ähneln. Beginnend mit einer simplen, gezupften C-Dur-Bassformel werden zwei Themen A und B in der starren Abfolge AABB andauernd wiederholt. Beinahe unmerklich werden Trommel-Rhythmus und Bass kontinuierlich durch weitere Instrumente verstärkt, schwillen immer mehr in einen riesigen Crescendo an, bis die gewaltige Steigerung schließlich nach 328 Takten außer Kontrolle gerät und eine ekstatische E-Dur-Explosion das bisher herrschende C-Dur zerbersten lässt.
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Mittlerweile gehört das Werk zu den meistgespielten klassischen Evergreens, und auch in St. Gallen riss es das Publikum nach dem furiosen Ende von ihren Plätzen. Großes Kompliment an Dirigentin, Solist und das Orchester.
Nächstes Konzert
12. März 2023
17 bis 18 Uhr
Tonhalle
Debussy Brahms
Sonntags um 5
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