Ein Nest für Fisch und Vogel

Kultur / 14.03.2023 • 15:00 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Die zeitgenössiche Rassismus-Oper "The Time Of Our Singing" feierte vergangen Samstag im UM!BAU des Theater St. Gallen Premiere.  <span class="copyright">Bernd Uhlig</span>
Die zeitgenössiche Rassismus-Oper "The Time Of Our Singing" feierte vergangen Samstag im UM!BAU des Theater St. Gallen Premiere. Bernd Uhlig

Die Oper “The Time Of Our Singing” trifft in St. Gallen den Nerv der Zeit.

Von Janine Maier

St. Gallen Vergangenen Samstag feierte die zeitgenössische Oper „The Time Of Our Singing“ von Kris Defoort und Peter van Kraaij im UM!BAU des Theaters St. Gallen Premiere. Das Stück nach dem Roman „Der Klang der Zeit“ von Richard Powers begeistert mit großartigen Darstellern und einer musikalischen Darbietung der besonderen Art.

Claron McFadden mimt mit klarem, bestens geführten Sopran die Delia Daley. <span class="copyright">Bernd Uhlig</span>
Claron McFadden mimt mit klarem, bestens geführten Sopran die Delia Daley. Bernd Uhlig

„Der Fisch und der Vogel können sich verlieben, aber wo bauen sie ihr Nest?“ Diese Frage stellt sich Protagonistin Delia Daley (Claron McFadden) und bringt damit die Zerrissenheit ungleicher Paare hinsichtlich Religion und Abstammung zum Ausdruck. Sie ist eine Schwarze Sängerin, ihr Auserwählter, David Strom (Kristján Jóhannesson), ein weißer, jüdischer Physiker. Bei Marian Andersons historischem Konzert vor dem Lincoln Memorial im Jahr 1939 verlieben sich die beiden ineinander. Anfängliche Hindernisse werden überwunden und kurz nach der Hochzeit erblicken die drei Kinder Jonah (Joshua Stewart), Joey (Markel Reed) und Ruth (Naomi Simmonds) das Licht der Welt.

Um den Nachwuchs vor den Rassenproblemen in der Schule fernzuhalten, beschließen Delia und David, ihre Kinder zuhause zu unterrichten. Der älteste Sohn Jonah entpuppt sich schließlich als genauso talentiert wie seine Mutter, woraufhin er gemeinsam mit Bruder Joey auf ein Konservatorium für Musik geschickt wird.

Kurze Zeit später kommt Delia bei einem rassistisch-motivierten Brand ums Leben. Tochter Ruth beginnt sich daraufhin politisch zu engagieren. Später heiratet sie Robert Rider (Hervé Loko), mit dem sie zusammen bei den Black Panthers für die Rechte der Schwarzen Bürger kämpft.

Naomi Simmonds  begeistert mit Sprechgesang in der Rolle der kämpferische Ruth. <span class="copyright">Bernd Uhlig</span>
Naomi Simmonds  begeistert mit Sprechgesang in der Rolle der kämpferische Ruth. Bernd Uhlig

Unterdessen nimmt Jonah am Gesangswettbewerb „America’s Next Voices“ teil und gewinnt. Nach einer Liaison mit der weißen Sängerin Lisette Soer (Jennifer Panara) erhält er ein Angebot für die Schwarze Rolle in einer Oper an der Metropolitan Opera. Er lehnt ab, da er wegen seines Könnens und nicht wegen seiner Hautfarbe engagiert werden möchte. Schließlich geht er nach Europa, um seine Karriere dort fortzusetzen.

Während Johnas Zeit in Europa wird David schwer krank und stirbt, ebenso Großvater William Daley (Mark S. Doss). Ruths Mann Robert wird bei einer Verkehrskontrolle von Polizisten angeschossen und überlebt den Vorfall nicht.

Ruth und Joey gehen schließlich gemeinsam nach Oakland, wo sie ein Schulprojekt umsetzen, das der Traum von Ruths Mann gewesen ist. Jonah besucht seine Geschwister und ist begeistert davon, wie Joey und Ruth in der von ihnen gegründeten Schule Schwarzen und gemischten Kindern ihre Identität vermitteln.

Als Jonah im Frühjahr 1992 an den Unruhen in Los Angeles teilnimmt, wird er schwer verletzt und stirbt.

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“The Time Of Our Singing“ fällt neben der großartigen gesanglichen Besetzung vor allem durch die besondere musikalische Begleitung auf. Von Rhythm and Blues, Soul, Rap, Jazz über Zitate von John Dowland, Johann Sebastian Bach und Franz Schubert bis hin zum Third Stream ist alles dabei. Komponist Kris Defoort bezeichnete sich selbst als „postmodernen Komponisten“, der sich nicht scheue, historisches Material zu zitieren und zu verarbeiten. Das zeigt sich auch bei der Umsetzung dieser zeitgenössischen Oper. Das Sinfonieorchester St. Gallen, das Jazzquartett und Pianist Kunal Lahiry auf der Bühne harmonieren unter der musikalischen Leitung von Kwamé Ryan wunderbar und tragen das Publikum angenehm durch den Abend.

Im Gegensatz zur Musik präsentiert sich das Bühnenbild sehr einfach. Im Mittelpunkt stehen das Klavier, das von Kunal Lahiry bespielt wird, und die Videoleinwand, auf der dokumentarisch Videoeinblendungen zu historischen Ereignissen gezeigt werden. Ansonsten liegt der Fokus auf den Darstellern, ihrem Gesang und ihrem Schauspiel. Diese Schlichtheit passt ins Gesamtbild und führt dazu, dass das Publikum nicht von Nebensächlichkeiten abgelenkt wird, sondern sich voll und ganz auf die Geschichte und die Musik konzentrieren kann.

Insgesamt ist die Umsetzung von „The Time Of Our Singing” sehr gut gelungen. Persönliche Erfahrungen werden mit historischen Geschehnissen verzahnt und die Geschichte weist einen großen Aktualitätsbezug auf. Die Oper trifft den Nerv der Zeit, regt zum Nachdenken an und ermöglicht den Zuschauern einen Einblick in die Probleme, mit denen die Schwarze Bevölkerung konfrontiert war und immer noch ist. Eine gelungene Darstellung, die nicht ohne Grund vom gesamten Publikum mit Standing Ovation gefeiert wurde.

“The Time Of Our Singing”

Theater St.Gallen im UM!BAU

Weitere Aufführungen:

Sonntag, 19. März 2023, 19.00 Uhr

Dienstag, 21. März 2023, 19.30 Uhr

Mittwoch, 19. April 2023, 19.30 Uhr

Freitag, 21. April 2023, 19.30 Uhr

Sonntag, 23. April 2023, 17.00 Uhr

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