Pauken-Showgewitter über Götzis

Charlie Fischer verhalf Concerto Stella Matutina beim Saisonstart zu einem Knalleffekt.
GÖTZIS Das war nichts weniger als die vermutete Welt-Uraufführung eines um 1740 entstandenen Concertos für acht Pauken und Orchester, was das Barockorchester Concerto Stella Matutina seinem verblüfften Publikum da am Freitag in der restlos ausabonnierten Kulturbühne AmBach präsentierte, als faustdicke Überraschung zum Start in die neue Saison. Der kultige Tiroler Schlagzeuger Charlie Fischer, ein absoluter Meister seines Genres, gestand im Gespräch mit Thomas Platzgummer als musikalischem Leiter des Abends denn auch, dass er erst auf dringendes Ersuchen von CSM-Organisator Bernhard Lampert diese Entdeckung eigens für Götzis einstudiert hatte.

Es hat schon was für sich, wenn die Bühne diesmal von gleich acht teils originalen, teils historischen Vorlagen nachgebauten Kesselpauken dominiert wird, wo sonst ein Paar genügt. Und alle in einem spannenden Duell elegant, verschmitzt locker und mit höchster Musikalität von einem Mann bedient werden, der anscheinend acht Hände hat und sich auch schon mal wie ein Kreisel um die eigene Achse dreht, um mit seinen flinken Schlägeln überall gleichzeitig zu sein. Das etwas missverständliche Konzertmotto „Heut‘ hau‘n wir auf die Pauke“ sollte freilich weder auf den Kölner Karneval noch auf Ballermann verweisen, wo diese Schluckhymne 1972 durch Tony Marshall populär gemacht wurde. Das ist tatsächlich ganz große Kunst auf einem uralten Kulturinstrument, das im Gegensatz zur Großen Trommel mit ihrem dumpfen „Bumm!“ auch genau eingestimmt werden muss. Bei acht Instrumenten ist das gleich eine ganze Tonleiter von G bis g, dank derer sich in der Zugabe auch Mozarts „Kleine Nachtmusik“-Thema als Paukenmelodie eignet. Als Klangflächen dienen Tierfelle. Fischer: „Ziegenfelle sind mir am liebsten, die klingen weich, Kälber dagegen sind hart, die schreien gerne.“

Das Programm hält dramaturgische Entwicklungen bereit. In der Sinfonia von Johann Christoph Hertel ist es das übliche Paar Pauken, das gemeinsam mit den langen Barocktrompeten strahlende Festlichkeit entfaltet. Dann demonstriert Charlie Fischer im Solo, was man als wendiger Perkussionist aus acht Pauken an überraschenden Effekten und kleinen Motiven hervorzaubern kann. Das Non-plus-ultra dieser Spielart ergibt sich dann im Miteinander des erwähnten Konzerts für acht obligate Pauken und Orchester eines Komponisten aus der Mozart-Zeit, der originellerweise ebenfalls Fischer heißt, Johann Carl Christian, weder verwandt noch verschwägert mit dem Virtuosen. Dieser lässt nun ein dynamisch klug disponiertes, richtiges Pauken-Showgewitter samt ausführlicher Solokadenz vom Stapel, dass man aus dem Staunen nicht herauskommt. CSM mit Konzertmeister David Drabek musiziert dazu auf Augenhöhe in einer respektabel großen Besetzung, um dem Solisten schlagkräftig Paroli zu bieten. Das Publikum ist hingerissen.

Während Thomas Platzgummer den ersten Teil noch von seinem Cellopult aus leitet, übernimmt er im zweiten die Rolle des temperamentvollen Dirigenten vor einem nun auf fast 30 MusikerInnen aufgestockten klassischen Orchester. Und tritt dabei erneut den Beweis an, wie unrecht man dem Komponisten Joseph Haydn bis heute mit der lächerlich abwertenden Bezeichnung „Papa“ tut. Gerade seine vorletzte Symphonie Nr. 103, dem Anlass entsprechend jene „mit dem Paukenwirbel“, zeigt den Meister auf der Höhe seiner schöpferischen Kraft und Meisterschaft, die Platzgummer mit seinen Leuten zu einem packenden Stück Klassik in historisch informierter Originalklangversion ausformt.
Fritz Jurmann
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