Die großen Bs der Kunst: Berlin, Bludenz, Bratislava

Drei Ausstellungen, 29 Kunstschaffende – eine Einordnung.
Bregenz Picasso hat bei seiner ersten Museumsausstellung 1932 in Zürich das vorgemacht, was den drei derzeit laufenden Ausstellungen im Künstlerhaus Thurn und Taxis in Bregenz zugutekommt: die künstlerische Selbst-Kuration. Im Grunde genommen ist es ein Husarenstück, dermaßen viele komplett unterschiedliche Künstlerinnen und Künstler zur selben Zeit zu zeigen, ohne auch nur die geringste Vermischung im Kopf des Betrachters zu erzeugen.
Im Erdgeschoss
Karl Salzmann (Jahrgang 1979, gebürtig aus Bludenz, lebhaft in Wien) präsentiert mit „Soundworks. Arbeiten mit Klang. 2013-2023“ sowohl einen Rück- als auch einen Ausblick seines Schaffens. Der Künstler nutzt Klang als Medium, Material und Forschungsobjekt zugleich. Es wäre vermutlich nicht falsch, seine Ausstellung als die leiseste Klanginstallation aller Zeiten zu bezeichnen.

Die den Raum dominierenden Objekte sind die Skulptur „Repetition is a common rhetorical device“, in welcher ein überdimensionierter Klangkörper, von mehreren Mikroständern gestützt, eine Ahnung von Klang verspricht, sowie der Forschungsapparat „Drehscheibe/Turntable“, bei welchem ein Tonabnehmer mit natürlichen Oberflächen (Rasen, Mineralien) und deren Struktur experimentiert und somit zur Klangarbeit per se wird.

Salzmann ist eine Ausstellung geglückt, welche nicht nur Raum zur Hinterfragung und Interpretation lässt, sondern auch mit hintersinnigem Humor punktet.
In den Obergeschossen
Hier wird es beinahe paneuropäisch. Zwei Künstlerinnen und ein Künstler aus der schönen Slowakei, alle drei wirken in der Metropole Bratislava und gehören der Speerspitze der zeitgenössischen Kunst dieses Binnenstaats an, bespielen jeweils einen Raum, ohne dabei zu konkurrieren.

Emöke Vargová (Jahrgang 1965) arbeitet mit aus Second-Hand-Läden erstandenen Herrenjacken, welche sie weiterverhandarbeitet und über Holzrahmen spannt. Diese Idee, welche vor knapp 100 Jahren für die Werkstatt für Weberei am Bauhaus nicht schlecht war, kann aktuell für das Künstlerhaus nur gut sein.

Dorota Sadovská (Jahrgang 1973) erkundet in 14 Acryl-auf-Leinwand-Gemälden das Leben der Heiligen und deren Ikonisierung, indem sie auf spielerische Weise die Heraushebung der jeweiligen Attribute (Franz von Assisi = Wundmale, Dionysius = Cephalophore/Kopfträger) herauskehrt. Das ist vom Thema sowie der Umsetzung her nicht uninteressant, jedoch darf an dieser Stelle der obligatorische Hinweis ans Künstlerhaus nicht fehlen, im Dachgeschoss endlich ein vernünftiges Lichtkonzept zu installieren. Gelbes Acryl auf weißer Leinwand ist so schon schreiend genug, da muss nicht auch noch massiv Osram fluoreszieren.

Als wahrliche Entdeckung darf die Formkunst von Ján Vasilko (Jahrgang 1979) bezeichnet werden. Obwohl auch seine Werke aus Acryl auf Leinwand bestehen, scheint dem Künstler nur die Geometrie heilig zu sein. Mit meditativ am Lineal waagrecht wie senkrecht gezogenen Linien entstehen unbewusst improvisierte Bilder, die sowohl aus der Distanz wie auch im Detail zum stundenlangen Studieren einladen.
Im Keller
Das Vorrecht der studentischen Jugend ist es ja, sich ausprobieren zu dürfen. Die Klasse von Ina Weber an der Universität der Künste Berlin hat das zum Thema „Ein anderer Alltag“ getan. So sind 30 Arbeiten von 25 Studierenden der Bildhauerei entstanden, welche nicht zwangsläufig auf das Objekt der Skulptur hinauslaufen.

Installationen, Malerei, Textilarbeiten usw. sind auf eine angenehm unaufdringliche Art kuratiert. In den 1990er-Jahren hätte man jenes analoge Kompliment ausgesprochen, dass, wenn man im Lexikon das Wort Harmonie in der 1b-Definition (ausgewogenes, ausgeglichenes Verhältnis von Teilen zueinander) sucht, ein Foto dieser Ausstellung zu sehen ist.

Lohnender als ein Blick ins Lexikon ist jedoch ein Besuch im Künstlerhaus. Vielleicht ist das Lichtproblem im Dachgeschoss dann schon gelöst. Es bleibt spannend.
Die Ausstellungen sind noch bis 1. Mai zu sehen. https://kuenstlerhaus-bregenz.at/
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