Ein Gaukler zu Gast in Götzis

Kultur / 23.03.2023 • 15:20 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Das siebenköpfige Schauspielerensemble schlüpft während des Abends in rund 40 verschiedene Rollen. <span class="copyright">Oliver Fantitsch</span>
Das siebenköpfige Schauspielerensemble schlüpft während des Abends in rund 40 verschiedene Rollen. Oliver Fantitsch

Die Kulturbühne Ambach in Götzis führte am Mittwochabend das Theaterstück „Tyll“ von Daniel Kehlmann auf.

Von Janine Maier

Götzis Die Bühnenfassung „Tyll“ nach dem gleichnamigen Roman von Daniel Kehlmann erzählt die Geschichte einer legendären historischen Figur und einer aus den Fugen geratenen Welt. Das siebenköpfige Schauspielerensemble bestehend aus Erik Schäffler, Sven Walser, Oliver Hermann, Axel Pätz, Mignon Remé, Ines Nieri, Frank Jordan, Rune Jürgensen und Maximilian von Mühlen schlüpft während des Abends in rund 40 verschiedene Rollen und nimmt das Publikum mit auf eine Reise durch Europa während der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs.

Erik Schäffler ist für die Inszenierung verantwortlich und mimt unter anderem den alten Tyll. <span class="copyright">Oliver Fantitsch</span>
Erik Schäffler ist für die Inszenierung verantwortlich und mimt unter anderem den alten Tyll. Oliver Fantitsch

Die Erzählung handelt von Tyll, dem Sohn des Müllers Claus Ulenspiegel, der im 17. Jahrhundert in einem Dorf in Süddeutschland aufwächst. Er übt sich schon früh in Gauklerkünsten und hat wenig Interesse an harter Arbeit. Eines Tages wird Tylls Vater, der sich für Magie interessiert, vom Jesuiten Athanasius Kircher wegen Hexerei angeklagt, verurteilt und hingerichtet. Daraufhin beschließt Tyll sein Heimatdorf gemeinsam mit der gleichaltrigen Bäckerstocher Nele zu verlassen und als Gaukler durch die Lande zu ziehen. Die Freunde reisen quer durch Europa und geraten unter anderem in den Dienst des Winterkönigs Friedrich V. Nach dessen Tod durch die Pest heiratet Nele den verwitweten Hofmathematiker Adam Olearius und Tyll wird zum Kriegsdienst gezwungen. Er überlebt zeit seines Lebens mehrere Unfälle, darunter auch den Einsturz eines Bergwerks während seines Dienstes als Soldat. Am Ende des Stücks trifft Tyll auf die Witwe des Winterkönigs, Elizabeth Stuart, und erklärt ihr, dass besser als friedlich zu sterben nicht zu sterben sei.

Mignon Remé beeindruckt die Zuschauer als Elizabeth Stuart. <span class="copyright">Oliver Fantitsch</span>
Mignon Remé beeindruckt die Zuschauer als Elizabeth Stuart. Oliver Fantitsch

Im ersten Teil des Stücks beeindruckt die vielseitige Schauspielerin Mignon Remé als entschlossene Mutter von Tyll, im zweiten Teil als Elizabeth Stuart und schließlich als alte Frau. Frank Jordan spielt auf feine und leichtfüßige Weise Tylls Vater Claus, dessen Verzweiflung während seiner Folter im Hexenprozess das Publikum berührt. Oliver Hermann verkörpert den bösen Jesuiten, den Narren Pirmin und den Schwedenkönig Adolf. Axel Pätz belebt die Bühne als bunter Vogel mit Akkordeon in der Rolle des Bänkelsängers und symbolisiert das Elend des Dreißigjährigen Krieges.

Alina Hidic, Rune Jürgensen und Alex Pätz stellten während der Aufführung bis zu sieben Charaktere dar. <span class="copyright">Oliver Fantitsch</span>
Alina Hidic, Rune Jürgensen und Alex Pätz stellten während der Aufführung bis zu sieben Charaktere dar. Oliver Fantitsch

Erik Schäffler ist als alter Tyll ständig präsent auf der Bühne, auch wenn er gerade nicht aktiv spielt. Der Schauspieler stellt die mystische Figur aus dem 17. Jahrhundert auf eine teils komödiantische, teils ernste Weise dar. Rune Jürgensen gelingt es, die Rolle des jungen Tylls von der Wandlung eines unbeschwerten Taugenichts hin zu einem durch die kirchliche Autorität bedrohten Menschen beeindruckend darzustellen. An seiner Seite spielt Alina Hidic, die ihr Talent von der unschuldigen Jungfrau bis hin zur Hure und zur selbstbewussten Frau zeigt.

Tyll ist ein Historienspektakel mit Musik, Tanz, Possen und Puppenspiel. <span class="copyright">Oliver Fantitsch</span>
Tyll ist ein Historienspektakel mit Musik, Tanz, Possen und Puppenspiel. Oliver Fantitsch

Die vom Publikum kontrovers diskutierte Aufführung ist zweifellos unkonventionell. Die Schauspielergruppe übernimmt bis zu sieben verschiedene Rollen, die eine schnelle Verwandlung erfordern, zum Beispiel vom Knecht zum König, von der Jungfrau zum Wolf oder vom Dichter zum Diplomaten. Diese rasanten Kostümwechsel bestimmen die Geschwindigkeit des gesamten Stücks, aber trotzdem bleibt die Handlung verständlich. Das schnelle Tempo sorgt für eine höhere Spannung und verstärkt das Leid der Protagonisten, was das Spiel noch intensiver macht.

Der sprechende Esel Origines begleitet Tyll auf seiner Reise durch Europa. <span class="copyright">Oliver Fantitsch</span>
Der sprechende Esel Origines begleitet Tyll auf seiner Reise durch Europa. Oliver Fantitsch

Insgesamt handelt es sich bei Tyll um ein ausgezeichnet besetztes Historienspektakel mit Musik, Tanz, Possen und Puppenspiel. Da Themen wie körperliche Gewalt, die fragwürdige damalige Haltung der Kirche oder sexueller Missbrauch offen thematisiert und dargestellt werden, ist das Stück wahrscheinlich nichts für zart Besaitete. Für Zuschauer, die Abwechslung und Andersartigkeit im Theater schätzen, ist Tyll ein Geheimtipp für einen gelungenen Theaterabend.