Mozart als Allheilmittel

Kultur / 28.03.2023 • 18:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Für Mozarts letztes Klavierkonzert in B-Dur bedarf es engen Kontakts zwischen dem Dirigenten Thomas Zehetmair und dem Solisten Pierre-Laurent Amard.  <span class="copyright">Fritz Jurmann (4)</span>
Für Mozarts letztes Klavierkonzert in B-Dur bedarf es engen Kontakts zwischen dem Dirigenten Thomas Zehetmair und dem Solisten Pierre-Laurent Amard. Fritz Jurmann (4)

Stuttgarter Kammerorchester unter Thomas Zehetmair zeigte neue Programmstrukturen auf.

Von Fritz Jurmann

DORNBIRN Was tut ein findiger Konzertveranstalter, um sein potenzielles Publikum abends vom Fernsehen wegzulocken – etwa Kulturamtsleiter Roland Jörg die Besucher seiner Reihe Dornbirn Klassik? Ganz einfach: Er greift zu Mozart, dem populärsten aller Allheilmittel. Dabei gruppiert er freilich nicht bloß eine Auswahl der unsterblichen Werke als musikalischen Gemischtwarenladen, sondern bringt für die Feinspitze im Publikum auch Struktur ins Programm. Vergebliche Liebesmüh! Am Montagabend blieben bei Mozart ganze Reihen im Kulturhaus frei, während das Montagsforum wegen des großen Andrangs zuletzt einen zweiten Termin ansetzen musste. So ungerecht kann das Schicksal sein.
Auch die Tatsache, dass Kurator Jörg an diesem Abend extra für Dornbirn neues künstlerisches Personal engagiert hatte, das für eine authentische, inspirierte und mitreißende Wiedergabe des Mozartrepertoires sorgte, war für den Besuch offenbar nicht von Belang.

Dirigent Zehetmair (links) und Solist Amard freuen sich über die begeisterte Zustimmung des Publikums.
Dirigent Zehetmair (links) und Solist Amard freuen sich über die begeisterte Zustimmung des Publikums.

So blieb es den Anwesenden im immerhin respektabel besuchten Saal vorbehalten, Mozart vom Feinsten in vollen Zügen zu genießen. Mit seiner auf 1945 zurückreichenden Tradition erwies sich das geschätzt zur Hälfte mit weiblichen Musikern besetzte Stuttgarter Kammerorchester als Ensemble, das trotz seiner professionellen Routine einen hohen Grad an Lebendigkeit und Spielfreude bewahrt hat und sich eines schlanken, ausgewogenen Mozartklangs befleißigt.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Youtube angezeigt.

Die Dirigentenpersönlichkeit am Pult ist Mozartspezialist Thomas Zehetmair, seit drei Jahren dort in der Chefposition, der den Musikfreunden im Land durch Auftritte als hervorragender Geiger bei der frühen Schubertiade bestens bekannt ist.

Das Stuttgarter Kammerorchester unter Dirigent Thomas Zehetmair mit dem französischen Klaviersolisten Pierre-Laurent Amard.
Das Stuttgarter Kammerorchester unter Dirigent Thomas Zehetmair mit dem französischen Klaviersolisten Pierre-Laurent Amard.

Das Besondere in diesem Programm ist eine Gegenüberstellung der ersten mit der letzten Symphonie Mozarts, der Nr. 1 in Es-Dur des Achtjährigen mit der Nr. 41 in C-Dur, der berühmten „Jupiter“, als seinem viel bewunderten symphonischen Vermächtnis. Schriftsteller Robert Schneider wirft bei seiner Programmeinführung die Frage auf, ob ein Wunderkind wohl imstande sei, eine Symphonie wie Mozarts Erstling zu kreieren. Wie die Musikwissenschaft hegt auch er seine Zweifel daran, ob die kleinen Patschhändchen damals nicht weitere helfende Hände erfahrener Leute wie von Vater Leopold zur Seite hatten, damit ein Werk entstand, das zumindest in Ansätzen bereits nach Mozart klingt, dazu mit einem Schlusssatz so kurz, als ob Mozart die Luft ausgegangen sei.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Youtube angezeigt.

Das Rätsel darum muss freilich auch an diesem Abend ungelöst bleiben und scheint umso größer, wenn sich im direkten Vergleich die Meisterschaft der „Jupiter“ in packender Dynamik strahlend entfaltet, mit der berühmten sechsstimmigen Fuge im Finale, die in ihrer genialen Kontrapunktik posthum vermutlich sogar einen Johann Sebastian Bach hätte erblassen lassen.

Nach der Pause wird die Besetzung des Orchesters für Mozarts festliche „Jupiter“-Symphonie mit zwei Barocktrompeten und Pauken erweitert.
Nach der Pause wird die Besetzung des Orchesters für Mozarts festliche „Jupiter“-Symphonie mit zwei Barocktrompeten und Pauken erweitert.

Als gleichwertigen Höhepunkt daneben sollte man Mozarts letztes Klavierkonzert Nr. 27 in B-Dur einstufen. Der ebenfalls erstmals in diesem Rahmen gastierende namhafte französische Pianist Pierre-Laurent Aimard vermittelt dem Werk als Solist jene eigenartige Zwielichtigkeit aus Versonnenheit und Lebenslust, in der sich der Meister damals durch verschiedene Umstände befand. Es ist eine Interpretation ganz im Geiste Mozarts, die im engen Einvernehmen mit Dirigenten und Orchester vollkommen in sich ruht, auch bei virtuosen Passagen niemals aus dem Gleichgewicht gerät. Mit seiner Zugabe, einer stillen Hommage des ungarischen Zeitgenossen Giörgy Kurtág, verweist Aimard auf seine Stellung als Vorkämpfer für Neue Musik.
FRITZ JURMANN

Nächstes Konzert bei Dornbirn Klassik: 7. Mai, 19.30 Uhr, Kulturhaus

Orchestra della Svizzera Italiana, Dir. Markus Poschner, Solist Avi Avital, Mandoline

Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.