Rollin‘ Stones in Feldkirch

Von Thomas Schiretz
Samuel Salcedo stellt zum ersten Mal seine Skulpturen in der Galerie Sechzig aus.
Feldkirch Von dem legendären Muddy Waters Songtitel „Rollin‘ Stone“ hat nicht nur die dienstälteste Rock ’n’ Roll-Band der Welt, The Rolling Stones, ihren Bandnamen, auch eine der Skulpturen des in Barcelona geborenen Künstlers Samuel Salcedo trägt diesen Titel. 12 Köpfe aus schwarzem Epoxidharz, die zu einer Pyramidenform aufgetürmt sind.


Auf den ersten Blick lassen sie an schwarzen Marmor denken, da auf ihrer polierten Oberfläche feine weiße Krakelees sichtbar sind. Es sind dies keine Portraits im klassischen Sinn, vielmehr hat Salcedo damit ein „Ideal oder Grundschema für seine Skulpturen gefunden – die Ausformung des Schädels, der Augenbrauenwulste, Nase, Lippen, Ohren variieren gering, welches er lediglich durch die unterschiedliche Ausprägung physiognomischer Details verändert und damit scheinbar individualisiert“, so die Kunsthistorikerin Katharina Henkel.

Man kann auch nicht sagen, ob ihre Geschlechtszugehörigkeit weiblich oder männlich ist, geschlechtsneutral. Die Schädel sind allesamt kahl und halten die Augen stets geschlossen. „Schließ deine Augen, um zu sehen“ oder „wer sehen will, muss die Augen schließen“, ein Zitat, das Paul Gauguin zugeschrieben wird, und der muss es wissen. „Cara a cara“, so der Titel dieser Werkschau, heißt übersetzt „Von Angesicht zu Angesicht“.

Messerschmidt und Balkenhol
Die unterschiedlichen Ausprägungen von Salcedos Skulpturen erinnern vielfach auch an die Köpfe und Bronzen des deutsch-österreichischen Bildhauers Franz Xaver Messerschmidt (1736-1783), die alle Arten von physiognomischen Zuständen zeigen bis hin zu extremen Grimassen. Anders als Messerschmidt, der für sehr unorthodoxe bzw. sehr drastische Maßnahmen der „Modellsuche“ bekannt war, er sprang vor Passanten, hielt ihnen gelegentlich eine Pistole vor, um dabei das Entsetzen des Betroffenen zu studieren, arbeitet Salcedo teils anhand von Gipsmodellen, Fotos und vor allem bildet Ton die Grundlage seiner Werke.

Salcedo ist nicht nur ein ausgewiesener Tüftler, er ist ein ausgezeichneter Handwerker, der all seine Arbeiten, in welchem Material auch immer, selbst in die finale Erscheinungsform bringt. Kunstharz, Aluminium, Holz oder Beton poliert er nicht nur auf Hochglanz, er ist ein Perfektionist, der seinesgleichen sucht. „Dieser Transformationsprozess vom Modell in Ton zur fertigen Skulptur in einem oder verschiedenen Materialien hat für mich etwas Alchemistisches … und beinhaltet für mich außerdem einen poetischen Aspekt“, so Samuel Salcedo über seine Arbeiten.

Mit der Skulptur „Großer Kopf“ (2022), die eine Höhe von 2,40 m aufweist, erinnert Salcedo an die „Maschinen-Maria“ aus Fritz Langs Film „Metropolis“ (1927). Mit ihr bezieht sich Salcedo aber auf den bekannten deutschen Holzbildhauer Stephan Balkenhol, deshalb soll der Titel dieser Arbeit als Zeichen seiner Wertschätzung stets in Deutsch geführt werden.

Les Jardins d‘Étretat
Wer aber noch ein „schöneres“ Ambiente als die Galerie Sechzig sucht, in dem Salcedos „Köpfe“ eine Spur vorteilhafter zur Geltung kommen, dem sei der Garten von Etretat/Normandie empfohlen, ein nahezu magischer Ort, von dem aus man einen phantastischen Blick auf die Falaise d’Amont mit der Aiguille Creuse (Hohle Nadel) hat, die Claude Monet in über 15 Ölgemälden für die Nachwelt verewigte. Inmitten üppigen Grüns präsentieren sich seine „Köpfe“ (als „Raindrops“ betitelt) wie seltene Perlen von vollendeter Schönheit.

Thomas Schiretz