Dauerbrenner Venedig in entspannter Buchform

Venezianische Spaziergänge
Mike Markart, edition keiper, 151 Seiten
Venedig übt seit jeher eine Faszination auf Schriftsteller aus. So platt der Satz kling, so wahr ist er.
Buchtipps Grundsätzlich muss man sagen, dass Kochbücher ein wahrer Segen hinsichtlich der Literatur aus und über die Lagunenstadt sind. Man nehme zum Beispiel das Kochbuch der Donna Leon, „Bei den Brunettis zu Gast“, wo die Autorin ihrer Freundin beim Kochen über die Schulter schaut, diese Gerichte und Kochanleitungen in die Brunetti-Romane übernommen und eben in konzentrierter Form auch als Kochbuch herausgebracht hat. Natürlich gibt es einen, der immer wieder die Ehre Venedigs gerettet hat, das Recherchewunder Gerhard Roth mit seiner Venedig-Trilogie.
Einen Weg zwischen den Welten findet der Grazer Autor und Venedig-Intimus Mike Markart mit seinen „Venezianischen Spaziergängen“. Seine kleinen Geschichten, in denen er als eine Art Geist durch die Gassen Venedigs zieht und seine Lagunenstadt vorstellt, leben von einer gewissen „schwermütigen Leichtigkeit“. Nicht nur, dass er die Gassen und Kanäle dieser Stadt sehr gut kennt, er vernetzt die Menschen in Venedig mit seinen Impressionen. Am ergreifendsten sind die Geschichten, wenn der Autor in Venedig zu Unzeiten zu Gast ist. Im Aqua Alta, wo der Besucher entweder im Vorhinein absagt oder vor Ort Hauptdarsteller ungewollter, akrobatischer Einlagen wird, gleitet der Autor geschmeidig durch die verwandelte Stadt. Markart erzählt eben keine sonnigen Sonntagsgeschichten, sondern schleicht sich im Nebel über die Brücken, trinkt dann und wann ein gekühltes Glas Weißwein und sinniert dazu über die kleinen Fische, die das Hochwasser an die Oberfläche spült, sodann diese neugierig die Stadt erkunden. Das Buch ist Literatur und eben kein Reiseführer, auch keiner für Fortgeschrittene. Diesbezügliche Reiseführer haben durchaus ihre Berechtigung, aber trotzdem bleibt Markart einer unter Geistern, die die Stadt bewohnen, gleichwie der Bucklige an der Rialto, oder der mystische Pierluigi, der auf den Autor an einer anderen Ponte Storto wartet, da es zehn verschiedene Brücken mit demselben Namen in dieser Stadt gibt. Markart gehört zu den Besuchern, die sich zu den Bewohnern der Lagunenstadt zählen dürfen, da er vom Venezianer als solcher aufgenommen wird. Der Lesende darf sich zu ihm auf die Schulter setzen und ein bisschen salzige Meeresluft schnuppern, wenn Markart die Touristen beobachtet, die fotografieren und fotografieren und einfach vergessen zu schauen. Auch der Autor fotografiert, seine Fotos im Buch erzählen die Geschichte zwischen Traum und Wirklichkeit und finden sich als lebensnahe Schönheit wieder.
Die Kaputtheit der Mittelschicht
„Toxic Man“ nennt sich Frédéric Schwildens Debütroman, der von einem Mann handelt, der dagegen ankämpft, wie sein toxischer Vater zu werden. Tatsächlich liegt Letzterer aufgrund eines Schlaganfalls im Sterben, was dazu führt, dass der 27-jährige Protagonist sein bisheriges Leben reflektiert. Der Erzähler des Romans ist ehemaliger Journalist, Star-Fotograf und versucht der provinzialen Mittelschicht zu entfliehen. Neben exzessiven Drogen- und Alkoholräuschen wird der Ich-Erzähler bald heiraten, er erwartet einen Sohn und die Eröffnung seiner ersten Foto-Ausstellung steht kurz bevor. Was Schwilden hier versucht zu erzeugen, ist eine neuartige Popliteratur, angelehnt an die üblichen Verdächtigen wie Bukowski oder Stuckrad-Barre. Dabei gelingt dem Autor die Verbindung zwischen Musik, Drogenkonsum, Zeitgeist der Generation Y und der Kaputtheit der Welt gut. Wenngleich die Thematik des toxischen Mannes leider untergeht und man sich mehr erhofft hätte, wirft Schwilden andere kontroverse Themen der heutigen Zeit auf, die zum weiteren Diskurs anregen.

Toxic Man
Frédéric Schwilden, Piper, 287 Seiten
Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.