Picasso ganz aus der Nähe
Es war im Jahre 1954, als der Bregenzer kommunistische Stadtrat, Weltbürger und Kunstfreund Max Haller (1885–1971) nach Vallauris in Südfrankreich reiste, um den größten Künstler seiner Zeit, Pablo Picasso, zu besuchen. Eine Bildserie im höchst informativen Katalog zur Ausstellung „Max Haller“ (1992) vom damaligen Direktor des Landesmuseums, Helmut Swozilek, zeigt Fotos, auf denen Picasso für Haller sozusagen den Kasperl macht, er schminkt sich als Clown, schneidet Grimassen, kurz: er posiert für Max Haller. Heute vor fünfzig Jahren ist Pablo Picasso, der vollständig Pablo Diego José Francisco de Paula Juan Nepomuceno María de los Remedios Crispiniano de la Santísima Trinidad Ruiz y Picasso hieß, in Mougins in der Provence gestorben. Ausstellungen auf der ganzen Welt – eine eindrucksvolle auch in der Albertina in Wien – gedenken dieses Datums, ebenso eine Fülle von Buchneuerscheinungen.
Mir ist eine Neuauflage eines Titels, der schon vor zwanzig Jahren erstmals aufgelegt wurde, in die Hände gekommen. „Picassos Friseur – Die Geschichte einer Freundschaft“ von Monika Czernin und Melissa Müller (erschienen im Diogenes Verlag) geht auf eine Begegnung von André Heller zurück, der tatsächlich Picassos Friseur, den Spanier Eugenio Arias, in Vallauris kennengelernt und die beiden Autorinnen auf ihn aufmerksam gemacht hatte. Es ist ein wunderbares Buch, das viel von Picasso vermittelt, viel von seiner besonderen Freundschaft mit seinem Friseur, von ihrer Vertrautheit, die sich auf die gemeinsame, durch die Diktatur von Franco verlorene Heimat Spanien gründete. Viele Fotos, nicht zuletzt beim Stierkampf, zeugen davon. Es zeigt auch ein weniger erfreuliches Bild von Picassos Umgang mit Frauen, der alte Macho benutzte sie nach seiner Notwendigkeit – und ließ sie dann fallen. Es bringt aber auch ein Bild von der Großzügigkeit des Künstlers, die in dieser Direktheit bisher so nicht zu lesen war.
Das Besondere dieser Beziehung ist die Klarheit und Einfachheit einer Freundschaft zwischen zwei ungleichen Männern. Der eine, einst republikanischer Kämpfer in Spanien gegen Franco, der deshalb nicht mehr in seine Heimat durfte, der andere der berühmteste Künstler seiner Zeit, der gelobt hatte, spanischen Boden nicht mehr zu betreten, solange dort Diktatur herrsche.
Das war das Bindeglied zwischen beiden, es gab aber auch ein tiefes, möglicherweise etwas naives Verständnis des Friseurs zur Kunst von Picasso. Der Künstler erkannte dies, suchte Eugenio Arias in vielen Dingen als Ratgeber, schenkte ihm immer wieder kleine und auch größere Arbeiten.
Arias hätte damit Millionär werden können, er verkaufte diese aber nicht, sondern gründete in seiner Heimatgemeinde Buitrago de Lozoya in Spanien nach der Diktatur ein keines Picasso-Museum. Noch heute kann man Picasso dort finden.
„Das Besondere dieser Beziehung ist die Klarheit und Einfachheit einer Freundschaft zwischen zwei ungleichen Männern.“
Walter Fink
walter.fink@vn.at
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
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