Subtiler Klangzauber mit Sabine Devieilhe

Stehende Ovationen für die Starsopranistin in einer konzertanten „Lakmé“.
ZÜRICH Sie mag dramaturgisch und in Bezug auf die Ausleuchtung der Charaktere kein Meisterwerk sein. Aber die musikalische Verführungskraft der 1883 uraufgeführten „Lakmé“ des Franzosen Léo Delibes ist durchaus bemerkenswert. Als besonders wertvoll erweist sich die Besetzung der Titelrolle mit Sabine Devieilhe: Der 37-jährigen französischen Sopranistin scheint diese anspruchsvolle Partie, mit der sie bereits 2014 hat brillieren können, geradezu in die Gurgel komponiert zu sein.
Berühmtes „Blumenduett“
„Lakmé“ erzählt von der tragisch endenden Liebe zwischen der Tochter eines Hindu-Priesters und einem englischen Offizier im Indien des 19. Jahrhunderts. Die Melodien sind inspiriert geraten, die Harmonik klingt apart, die Instrumentation spendet weitere koloristische Tupfer. Der Dirigent Alexander Joel hat ein Ohr für solche Qualitäten, und die auf dem hochgefahrenen Orchestergraben agierende Philharmonia Zürich spielt unter Joels Leitung hellhörig zarttonige Lyrik aus, lässt, wo geboten, kraftvoll zufahrende Tutti-Passagen hören, entbindet verführerischen Zauber und rhythmische Pikanterie oder bohrt sich in Ostinati und chromatisch sequenzierte Passagen hinein.
Sabine Devieilhe gebietet mit magistraler und zugleich zu Herzen gehender Kunst über einen höhensicheren und auch im Piano tragfähigen Sopran. Sie zeichnet mit ihrer Stimme feinste, „gläserne“ Lineaturen, versprüht in Koloraturen und Trillern ein verschwenderisches Klangparfüm, vermag das Volumen plötzlich zum eindrücklichen Forte hochzuschrauben, und die „Glöckchenarie“, Zugstück von Stimmvirtuosinnen, gestaltet sie bravourös.
Edgardo Rocha als Gérard vermag die Nöte der Figur glaubhaft zu transportieren und meistert hierbei die hohe Tessitura dieser Tenor-Partie. Der Bassbariton Philippe Sly ist der sich gegen die Kolonialherren auflehnende Brahmanenpriester Nilakantha und mit kerniger Baritonstimme gibt Björn Bürger einen Offizierskollegen von Gérard. Siena Licht Miller als Lakmés Begleiterin überzeugt zusammen mit Devieilhe im diffizilen „Blumenduett“ des ersten Akts. Janko Kastelic hat den Chor hörbar sorgfältig einstudiert.
Dies alles geschieht an dem von Natascha Ursuliak szenisch eingerichteten Abend ohne steifes Rampensingen, sondern vielmehr verlebendigt durch schauspielerische Aktionen, verräumlichende Figurenpositionierung und mit Requisiten wie Dolch und Wasserglas. TB
Opernhaus Zürich, weitere Vorstellungen (ca. zweieinhalb Stunden) am 8. und 15. April 2023.
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