Vorarlberger Literatur in Leipzig

Kultur / 28.04.2023 • 16:04 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Arno Geiger präsentierte bei der Leipziger Buchmesse seinen neuesten Bestseller "Mein glückliches Geheimnis".   <span class="copyright">Andreas Marte</span>
Arno Geiger präsentierte bei der Leipziger Buchmesse seinen neuesten Bestseller "Mein glückliches Geheimnis". Andreas Marte

Große Delegation bei der Buchmesse.

Leipzig Wenn Monika Helfer, Alex Beer, Michael Köhlmeier, Arno Geiger und viele mehr gemeinsam in einer Stadt sind, kann es sich nur um eine Buchmesse handeln. Große Erleichterung war überall in Leipzig über das Messe-Comeback nach dreijähriger Coronapause zu spüren. Da Österreich das Gastland im Jahr 2023 ist, war auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu Gast in Sachsen.

Alexander Van der Bellen besuchte den Stand seine Landes auf der Leipziger Buchmesse.  <span class="copyright">APA/dpa/Jan Woitas</span>
Alexander Van der Bellen besuchte den Stand seine Landes auf der Leipziger Buchmesse. APA/dpa/Jan Woitas

Also meinte Van der Bellen nicht nur, er habe als Gastgeschenk “ein Packerl” an hervorragenden Autoren mitgebracht, sondern beschäftigte sich ausführlich mit den Unterschieden der gleichen Sprache, die in Österreich und Deutschland gesprochen werde. Wenn in Österreich etwa ein Politiker mit den Worten “Schau ma mal” scheinbar etwas in Aussicht stelle, bedeute dies in Wahrheit genau nichts, gab Van der Bellen austriakisches Insiderwissen zum Besten. Von Bedeutung sei dagegen, dass Österreich in den letzten 15 Jahren zweimal den Literaturnobelpreis bekommen habe. Als sich nach einer Kunstpause dazu Applaus einstellte, meinte er: “Danke. Ich bin daran ganz unschuldig!”

Beim Rundgang durch die Leipziger Messe absolvierte der Bundespräsident auch einen Besuch bei Georg und Michelle Bucher, die mit ihrem Verlag schon seit Jahren in Leipzig mit einem eigenen Stand vertreten sind und diesem Jahr vor allem die Bücher von Rebecca Moser “Unten” sowie Hanno Loewys und Raphael Einetters “Über die Grenze – 52 Fluchtgeschichten zwischen Bodensee und Gebirge 1938 bis 1945” vorstellen.

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Auch Michael Köhlmeier ging bei seinem Besuch bei der ARD auf die gemeinsame Sprache der Nachbarländer ein und zitierte Karl Kraus, der schon vor mehr als 100 Jahre festgestellt hatte: „Was die Deutschen und die Österreicher trennt, ist ihre gemeinsame Sprache. “

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Sein Hauptthema war aber natürlich die Präsentation seines großartigen neuen Romans “Frankie”, der wie alle Köhlmeier-Bücher auch in Deutschland auf großen Anklang stößt, weshalb der große ARD-Stand bis auf den letzten Platz gefüllt war. “Frankie” handelt von einem 14-jährigen Jungen, der für seine Mutter kocht, sich mit Waffen auskennt und plötzlich auf seinen Großvater trifft, der nach 18 Jahren vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen wurde. Gemeinsam begeben sie sich auf eine Reise ins Ungewisse. Michael Köhlmeiers Roman „Frankie“ verbindet Elemente eines Familienromans mit Thriller-Aspekten und skurrilen Roadmovie-Momenten.

Eine meisterhaft erzählte Geschichte über Verantwortung und Schuld. Köhlmeier rückblickend: “An die Zeit, als ich in diesem Alter war, erinnere ich mich sehr gern. Ich war noch nicht gestört durch die Hormone, es war alles rational erfassbar. Ich habe diese Zeit sehr genossen, weil sie einerseits eine große Freiheit für mich bedeutete, andererseits aber auch so eine große Vernunft. Ich hatte geglaubt, ich könnte alles schaffen, und war dann sehr überascht, welche Schwierigkeiten das eigene Gefühlsleben bereiten kann. Als ich mich das erste Mal verliebte, war ich nicht gefasst darauf. Bis dahin waren die größten Probleme für mich, ob es links- oder rechtsdrehende Schrauben gibt.”

Konrad Paul Liessmann, Gründer des Philosophicums Lech, war mit seinem neuen Buch “Lauter Lügen” in Leipzig vertreten. Österreichs bekanntester lebender Philosoph widmet sich einer Vielzahl von Themen wie Politik und Ethik, Kultur und Zensur, Freundschaft und Feindschaft, Winnetou und dem Ende der Welt. Wie in all seinen anderen Büchern setzt sich Liessmann mit Scharfsinn, Intelligenz und viel Humor kritisch mit diesen Themen auseinander.

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Arno Geiger ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller im deutschsprachigen Raum. Für seinen Familienroman „Es geht uns gut“ erhielt er 2005 den Deutschen Buchpreis. Inzwischen haben sich seine Bücher hunderttausendfach verkauft, die Literaturpreise hageln auf ihn ein, zum Beispiel 2011 der Hölderlin-Preis, 2017 der Alemannische Literaturpreis, 2018 der Joseph-Breitbach-Preis, 2019 der Bremer Literaturpreis und der in den Niederlanden vergebene Europese Literatuurprijs.

Arno Geiger: „Ich war ein Vagabund, ein Stadtstreicher."
Arno Geiger: „Ich war ein Vagabund, ein Stadtstreicher."

In seinem neuen Buch „Ein glückliches Geheimnis“ beschreibt Geiger seinen langen Weg zum Schreiben. „Ich war ein Vagabund, ein Stadtstreicher, ein Lumpensammler, ein Niemand und weiter nichts.“

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Er hat etwas verheimlicht, nichts Schlimmes, deshalb erzählt er auch gleich im zweiten Satz, worum es geht. Als er mit Mitte zwanzig in den Papiercontainern zu wühlen begann, suchte er nicht nur die Grenzüberschreitung; sondern weil sich viele seiner Funde auf Flohmärkten für gutes Geld verkaufen ließen und er eine Weile davon seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte. Der wunderschöne Roman, der eigentlich eine Autobiografie ist, handelt aber auch von der Liebe und von Partnerschaft.

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Vor allem möchte Geiger aber eines: “Die Gesellschaft schuldet mir überhaupt nichts, aber ich schulde der Gesellschaft sehr gute Bücher.” Und dass ihm das gelingt, beweisen nicht nur seine Romane, sondern auch der enorme Zulauf der Menschen in Leipzig, die den Vorarlberger sehen und hören wollten.

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Den renommierten Preis der Leipziger Buchmesse in der Belletristik-Sparte hat der Lyriker und Theatermacher Dinçer Güçyeter gewonnen. Er wurde für seinen Debütroman “Unser Deutschlandmärchen” ausgezeichnet. Der 1979 in Nettetal (Deutschland) geborene Autor erzählt darin von den Schmerzen, Entbehrungen, Einsamkeiten und Sehnsüchten seiner Eltern, die Ende der 1960er-Jahre aus der Westtürkei als Gastarbeiter nach Deutschland kamen.

Dinçer Güçyeter erhielt den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik.<span class="copyright"> APA/dpa/Hendrik Schmidt</span>
Dinçer Güçyeter erhielt den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik. APA/dpa/Hendrik Schmidt

Er wird im Rahmen der Feldkircher Literaturtage 2023 am 13. Mai im Saumarkt aus seinem preisgekrönten Werk “Deutschlandmärchen” lesen und mit der Autorinnen Barbi Marković, Eva Schörkhuber, Karin Peschka über das Thema “Herkunft, Anpassung und Widerstand” diskutieren.

Dinçer Güçyeter berührende Siegesrede wurde auch auf großen Plätzen in Leipzig übertragen.   <span class="copyright">Andreas Marte</span>
Dinçer Güçyeter berührende Siegesrede wurde auch auf großen Plätzen in Leipzig übertragen. Andreas Marte

In der Kategorie Sachbuch/Essayistik setzte sich Regina Scheer durch. Ihr Buch “Bittere Brunnen” thematisiert das Leben von Hertha Gordon-Walcher. Die jüdische Kommunistin war in den 1920er-Jahren Sekretärin der kommunistischen Politikerin und Frauenrechtlerin Clara Zetkin.