Schubert – impulsiv und innig

Pianist William Youn und Sopranistin Fatma Said vertieften sich unterschiedlich in sein Werk.
Hohenems Der aus Südkorea stammende William Youn gehört heute zu den international führenden Pianisten der jungen Generation, der seit seinem Schubertiade-Debüt 2017 alljährlich in verschiedenen Aufgaben hier zu einem der meistbeschäftigten Künstler wurde.

Dabei profilierte sich der so ungeniert jugendlich wirkende Musiker mit seiner Anschlagskultur Jahr für Jahr mehr als feinsinniger, poetischer Schubert-Interpret. Höchste Zeit also, ihm heuer einen siebenteiligen Zyklus mit Schuberts 21 Klaviersonaten anzuvertrauen – eine gefürchtete Mammutaufgabe, die erstmals bei der Schubertiade in den Achtzigern in Feldkirch der ungarische Pianist András Schiff unter allgemeiner Bewunderung der Branche gewagt hat.

Youn stürzt sich Samstagnachmittag am wunderbar präparierten Steinway im Markus-Sittikus-Saal in dieses waghalsige Unternehmen, vor einem zahlreichen Auditorium, das sein inniges Schubertspiel dem ersten sonnigen Tag draußen nach langer Regenzeit vorzieht. Er stellt darin ohne Rücksicht auf die Chronologie die zweite Sonate C-Dur von 1815 des damals 18-Jährigen zwei Werken seiner mittleren Schaffensperiode gegenüber, spannt einen weiten Bogen über Kontraste und Entwicklungen hinweg, die auch weniger Eingeweihten deutlich werden. Sie reichen von mozartnahen Motiven der Klassik im Kopfsatz des unvollendet dreisätzig gebliebenen früheren Werkes bis zur emotionalen Tiefe der bis heute allgemein bekannten „Reliquie“ von 1825, die gar nur aus zwei Sätzen besteht und doch als vollendet gilt.
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Gerade das Fragmentarische interessiert Youn, das verstörende Stocken im Fluss, als habe Schubert nicht mehr weitergewusst. Die einen Monat später entstandene, anspruchsvoll viersätzige Sonate a-Moll D 845 gibt Youn Gelegenheit zu seiner persönlichsten Auseinandersetzung mit Schubert, dessen zerbrechliches Trio er dabei in den Zustand absoluter Schwerelosigkeit versetzt. „Bitte warten“ heißt es für die Fortsetzung dieses Zyklus. Denn während Youn dieses Repertoire in drei Alben bereits komplett bei SONY veröffentlicht hat, hinkt er mit seinen Konzertplänen hinterher. Fortsetzung folgt – bei der Schubertiade erst 2024.

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Die in Kairo geborene, international bewunderte Fatma Said, die wie ein Traum aus Tausendundeiner Nacht Sonntagabend im Saal erscheint, präsentiert das Gegenteil eines Zyklus. Ihr erster Solo-Liederabend nach einer Absage im Vorjahr setzt Schubert in Beziehung zu Haydn und Schumann, dennoch löst der relativ kleine Anteil seiner Lieder im Programm die größte Bewunderung im Publikum aus. An wenigen Beispielen zeigt die Sängerin mit ihrem warm timbrierten, in der Tiefe sogar aufregenden Sopran die Vielfalt ihrer Ausdrucksmöglichkeiten und Farben, die mit der Faszination ihrer äußeren Erscheinung korrespondieren. Bei Ellens Gesängen steht einem fröhlichen „Jäger, ruhe von der Jagd“ ein unfassbar ergreifendes, in sich abgeklärtes „Ave Maria“ gegenüber, bei dem der Saal kaum mehr zu atmen wagt. Am eindeutigen Erfolg des Abends, den sich die in fünf Sprachen kundige Fatma Said mit ihrer großen Bühnenpräsenz in perfektem Deutsch erarbeitet, vermögen auch zwei wenig bekannte Liedreihen Schumanns nicht zu rütteln, die sich eher als Stimmungstöter erweisen. Dafür kommen messerscharfe Impulse von dem Briten Joseph Middleton. Er sieht sich als Vertreter einer neuen Generation von Klavierbegleitern, denen Präzision und Präsenz über alles geht.
Fritz Jurmann
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