„Ich werde nicht sterben“

Kultur / 08.05.2023 • 19:36 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Die Lichteffekte machen den Szenenwechsel einfacher.
Die Lichteffekte machen den Szenenwechsel einfacher.

Das Theaterstück „Späte Spiele“ greift das Altern und dessen Tücken humorvoll auf.

BREGENZ Es war die Nachtigall, nicht die Lerche. Gleich zu Beginn schlüpfen Heidi Maria Glössner und Tobias Krüger in die Rollen des tragischsten Liebespaares der Geschichte – Romeo und Julia. Ein Fingerschnippen. Jetzt sind sie Pfleger und eine demente Patientin. Licht geht aus. Erneuter Szenenwechsel mithilfe der Lichtkonstellation mit mehreren Neonröhren. So wird das raffinierte Vexierspiel „Späte Spiele“ vom Schweizer Autor Gerhard Meister bei der Uraufführung im Vorarlberger Landestheater noch spannender. Durch die Inszenierung von Bastian Kabuth versetzen die Schauspieler das Publikum im Minutentakt in immer neue und wiederkehrende Situationen, was für viel Gelächter sorgt.

Späte Spiele

Die Assoziierungen zum Stück „Späte Spiele“ können schnell gemacht werden, zumal eine ältere Dame und ein attraktiver junger Mann gemeinsam auf der Bühne stehen. Doch das Schauspielduo mit Tobias Krüger und der 80-jährigen Heidi Maria Glössner führt das Publikum mit viel Humor und Feinfühligkeit durch ein schwieriges Thema, das uns alle betrifft: Das Altern und die Herausforderungen, die es mit sich bringt.

Die Konzertpianistin lauscht den Klängen des jungen Mannes beim Klavierspielen. Sie unterrichtet ihn, denkt sie. „Aber du bezahlst mich dafür“, ruft der Junge. Ist es die Einsamkeit, die die Frau kränkt? Ein Lichtspiel. Die zwei stehen voreinander. Das Telefon klingelt. Es ist ihr Enkel, der Geld von ihr braucht. Noch ein Anruf. Es ist die Polizei, der sie das Geld geben muss. Nochmals ein Anruf. Jetzt ist es die echte Polizei. Krüger versetzt Glössner in die Rolle der Großmutter, die sich in der ständigen Gefahr befindet, von Betrügern mit den übelsten Methoden und Maschen übers Ohr gehauen zu werden.

Rasanter Szenenwechsel

Fingerschnippen. „Ich werde nicht sterben“, sagt die Frau. „Meine Blutwerte sind außerordentlich, sagt der Arzt“, wiederholt sie. Ihr Sohn, jetzt, versucht ihr zu erklären, dass es irgendwann so weit sein wird. „Wir werden alle sterben, eines Tages“, sagt er. „Nein, nein. Ich sterbe nicht“, schreit sie wieder wie ein trotziges Kind. Ist es die Angst vor dem Sterben, die sie trotzig macht? Im nächsten Moment überlegt die ältere Dame einen Banküberfall zu begehen, schließlich sei das das beste Anti-Aging-Programm. Ja, das Adrenalin regt die Zellen an, und die grauen Haare verschwinden, wenn man nur daran denkt. Sie hält die Pistole gegen den imaginären Bankschalter. „Geld her“, ruft sie. Heidi Maria Glössner spielt die Rolle wie alle anderen: Mit Sicherheit, Können und ausgeprägter Mimik. Der junge Mann hat aber kein Geld, die Frau glaubt es ihm nicht. Krüger richtet sich ans Publikum: „Wie bringe ich jemanden in diesem Alter bei, dass eine Bank kein Bargeld mehr hat?“

Kurz darauf sind sie wieder im Altersheim. Tobias Krüger erzählt feinfühlig über die Erinnerung des Großvaters der alten Frau, er verkörpert ihn. Dann sind alle Spuren des Lebens wie weggewischt. Dröhnende Musik. Ein lauter Applaus folgt mit großem Jubel. Wer sich „Späte Spiele“ anschaut, wird dem älter werden nur noch mit Lachen begegnen. VN-PEM

„Späte Spiele“ läuft im Vorarlberger Landestheater seit dem 5. Mai. SEVERIN NOWACKI
„Späte Spiele“ läuft im Vorarlberger Landestheater seit dem 5. Mai. SEVERIN NOWACKI

Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.