Giganten der Orgelmusik

Kultur / 25.05.2023 • 21:27 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Bereits zum 16. Mal fand die Reihe „Wege Bachs“ statt. FRITZ JURMANN
Bereits zum 16. Mal fand die Reihe „Wege Bachs“ statt. FRITZ JURMANN

HÖCHST Anschaulicher, begeisternder als es Bruno Oberhammer am Montag in einem einstündigen Konzert an der Rieger-Orgel seiner Heimatgemeinde getan hat, kann man große Zusammenhänge in der europäischen Musikgeschichte nicht begreifbar machen. Es war die 16. Ausgabe seiner Reihe „Wege Bachs“, eine Art „Spin off“, wie man es beim Fernsehen nennen würde, also ein zur Selbstständigkeit gewordener Ableger seines bereits legendären Höchster Bach-Orgelzyklus mit Werken, die zu Bach hinführen oder bei ihm beginnen.

Dazu hat er diesmal drei Giganten der Orgelmusik aufgeboten, die Barockmeister Dietrich Buxtehude und Johann Sebastian Bach sowie den Romantiker Max Reger zu seinem 150. Geburtstag. Ihre Werke lassen untereinander verblüffende Zusammenhänge erkennen, auch wenn die Lebensdaten der Komponisten oft weit auseinanderliegen. Für den Musikwissenschafter Oberhammer also ein „methodisches Konzert“, dessen Akzente auf der Kunst des Variierens und der harmonischen Entfaltung liegen.

So muss man das Programm dieses denkwürdigen Abends auch als Gesamtpaket sehen, dessen Eckpunkte von den jeweils am dichtesten gearbeiteten Werken von Buxtehude und Reger markiert werden, beide in der Tonart fis-Moll. Buxtehudes kurze Toccata gibt die Richtung vor, enthält sehr viel an kontrapunktischer Kunst, die später Bach zur Maxime wurde. Am Ende geht mit Max Regers 30-minütigem Opus 73, „Introduktion, Variationen und Fuge“, ein mächtiger Monolith in eine Komplexität der Verarbeitung, deren Umsetzung wohl an die Grenzen des Machbaren reicht. Bruno Oberhammer als einer der profiliertesten Organisten des Landes scheut sich auch mit seinen 77 Jahren nicht, ein solches Monumentalwerk nicht nur in Angriff zu nehmen, sondern es auch klanglich, technisch, gestalterisch und in einer nie erlahmenden Spannung zu bewältigen. Den Variationen über ein sanftes Thema kommt er auch bei den vertracktesten Umspielungen, sich aufbäumender Akkordik und verwegenen Kaskaden virtuos bei, in der atemberaubenden Schlussfuge gerät er selber hörbar in einen Klangrausch, greift dabei ins Volle, in die ganze Fülle der zur Verfügung stehenden Register in einem Pleno, das die Höchster Kirche in ihren Grundfesten erzittern lässt – ein fantastischer Höreindruck!

Den Boden für dieses doch sehr moderne, bis an die Grenzen der Tonalität reichende Werk, das mit einem strahlend reinen Fis-Dur-Akkord endet, bereitet zuvor Bachs große Fantasie in g-Moll. Dieses harmonisch unglaublich reichhaltige, chromatisch durchsetzte Werk hat über hundert Jahre später Max Reger mit seinen „harmonischen Sachen, die man heute als so großen Fortschritt anpreist“, den Mut zu einem Vorgriff auf die Zukunft gegeben und neue Wege gewiesen. Viele in der Schar der Orgelfreunde, die an diesem Abend in der Kirche die Ohren weit offenhalten, können diesen Vergleich unvermittelt nachvollziehen und zeigen sich begeistert über das Konzept und dessen exzellente Umsetzung. JU

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