„Spiel‘ die Musik, als wäre die Tinte noch frisch“

VN-Interview mit Angelika und Martin Gallez.
Seit über zwanzig Jahren lebt das Musikerehepaar Angelika und Martin Gallez in Sulzberg, wo Angelika Gallez auch herkommt. Kennengelernt haben sich die beiden am Königlichen Konservatorium in Brüssel, wo Angelika nach einem Studium am Salzburger Mozarteum einen Master in Querflöte und Traversflöte mit Auszeichnung absolvierte. Martin absolvierte ebenfalls mit Auszeichnung die Fächer Klavier, Kammermusik und Musiktheorie und entdeckte dabei seine Vorliebe für das Fortepiano (Hammerklavier). Beide sind gemeinsam mit Heidrun Wirth-Metzler und Bianca Riesner Gründer der Reihe „Klang & Raum“, die im Bregenzerwald Konzerte auf historischen Instrumenten an ungewöhnlichen Orten und mit Gespräch organisiert, spielen in verschiedenen Ensembles und unterrichten an Vorarlberger Musikschulen.

Die Macher von „Klang und Raum“: Martin Gallez, Bianca Riesner, Angelika Gallez und Heidrun Wirth-Metzler. VICTOR MARIN
Frau Gallez, wie sind Sie zur Flöte gekommen?
Meine Familie war in der Blasmusik verankert, ich wollte aber Zither lernen. Mein Elementarlehrer Helmut Geist hat dann mein Talent erkannt, ich bin ihm sehr dankbar dafür.
Sie spielen in barocken und modernen Ensembles. Was ist Ihnen lieber?
Eindeutig barock. Mit Alte-Musik-Leuten zusammenzuspielen, ist äußerst interessant: Der Umgang mit dem Notentext ist genauer, es wird viel hinterfragt, und die alten Instrumente fordern einen heraus. Für mich ist es eine Herzensangelegenheit.
Sie spielen auch Barockoboe?
Das ist mein geheimes Steckenpferd. Ich habe z. B. in einer Aufführung der h-Moll-Messe die Erste Traversflöte und im Sanctus die Dritte Oboe gespielt.
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Ihr Lehrer auf der Traversflöte war der weltberühmte Barthold Kuijken. Wie war die Arbeit mit ihm?
Er war mein Held und hat mich geprägt. Er ist ein so intelligenter Mensch voller Wissen, ich habe genau das von ihm gelernt, was ich für mein ganzes Musikerleben gebraucht habe. Sein Motto war „Spiel die Musik, als wäre die Tinte noch frisch.“
Mit Concerto Stella, wo Sie Ensemblemitglied sind, sind Sie auch als Solistin aufgetreten – was reizt Sie daran?
Für mich war es extrem wichtig, mich zu überwinden und eingebettet in das Ensemble Verantwortung zu übernehmen. Ich mag Herausforderungen.
Herr Gallez, was hat Sie zu den Tasteninstrumenten gelockt?
Meine Eltern haben eine Beschäftigungstherapie für mich gesucht, ich habe mit Klavier begonnen und bin bis heute in das Instrument verliebt. In Brüssel am Konservatorium habe ich mir einen Lehrer ausgesucht, Bojan Vodenitcharov, der auch Jazz und Alte Musik betrieb. Ich mache auch viel Improvisation, zeitgenössische Musik mit dem Ensemble plus und habe mit Peter Madsen gearbeitet.
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Was ist das Besondere am Pianofortespiel?
Man kann sowohl sehr leise und dennoch sehr expressiv spielen als auch das Instrument bis zum Extrem ausloten. Auch die Körpersprache ist anders und die Pedale werden mit den Knien angehoben. Ab dem Ende des 18. Jh. gibt es auch special effects, wie Trommeln und Schellen, die z. B. Mozart und Schubert angewendet haben.
Sie sind in Afrika aufgewachsen. Wie ist der Bregenzerwald im Vergleich dazu?
Aufgewachsen bin ich in Kigali in Ruanda, wo mein Vater Projektleiter in der Entwicklungshilfe war. Offenheit für andere Kulturen, Sprachen und Traditionen sind für mich selbstverständlich. Ich bin zwar Belgier, aber viel wichtiger: Europäer. Diesen Reichtum finde ich auch im Bregenzerwald. Kultur, Menschen und Natur formen eine Einheit. Es ist die Region meines Herzens.
„Klang und Raum“ hat nun zwei Saisonen hinter sich. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Es war eine Herausforderung. Die Räumlichkeiten waren zwar einzigartig, aber nicht für Konzerte gedacht. Temperatur, Akustik und Logistik waren oft schwierig. Erstaunlich und erfreulich, dass so viele Leute von der Musik, den Gesprächen und den Räumen begeistert waren! Wir sind für diese Resonanz sehr dankbar.
Frau Gallez, das nächste Konzert von „Klang und Raum“ bringt Bläsermusik aus der Zeit um 1800. Worauf kann sich das Publikum freuen?
Mit historischen Instrumenten besetzte Holzbläserquintette hört man nicht oft. Auch ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist kritische Verlagsarbeit. Bei diesen selten gespielten Komponisten gibt es oft nur Einzelstimmen, manches ist fehlerhaft oder unlesbar. Wir machen aus Faksimiles und Drucken eine spielbare Partitur. Eine sehr spannende Aufgabe!
Ulrike Längle
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