Die letzte Versuchung

Kultur / 01.06.2023 • 13:06 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Die letzte Versuchung
„Transitional Era“ in der Johanniterkirche. VN/HF, Aljoscha (2)

Aljoscha setzt in der Johanniterkirche testamentarische Assoziationen frei.

Feldkirch In der Feldkircher Johanniterkirche ist die Erschaffung der Welt so mitten im Prozess steckengeblieben. Irgendwo zwischen Genesis 1,6 und 1,10. Die Bibelfesten erahnen es bereits – es geht im weitesten Sinne ums chemisch Liquide.

Die letzte Versuchung
Licht und Schatten spielen eine Rolle.

Verantwortlich für diesen Zustand zeichnet sich der ukrainische Künstler Aljoscha (Jahrgang 1974, seit zehn Jahren in Düsseldorf lebhaft) mit seiner Rauminstallation „Transitional Era“. Bei einem Stopp auf der Datenautobahn ist zu erfahren, dass er für konzeptionelle Installationen und Skulpturen basierend auf Ideen des Bioismus, des Biofuturismus und des bioethischen Abolitionismus bekannt ist. Das liest sich sperrig und enthält mindestens zwei Mal zu oft das Wort Bio. Es macht daher Sinn, sich seiner aktuellen Arbeit auf der Gefühlsebene zu nähern. Denn: Wer Augen hat, der sehe (Mk 8,18).

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Das Acryl-Glas wirkt beeindruckend.

Psst. Ab jetzt wird nur noch geflüstert. Die totale Entschleunigung – nicht nur in der Sprache, auch in der Bewegung – ist ein Vorrecht sakraler Stätten. Das hat etwas mit Respekt zu tun und wir (in Vorarlberg sozialisierte Menschen) haben es nun mal so gelernt. Die Johanniterkirche, welche seit beinahe 30 Jahren als Kunstraum genutzt wird, ist zweifellos einer dieser Orte. Möge in der Marktgasse auch reges Treiben herrschen, über die Schwelle der Kirche getreten fühlt man sich – man lasse das Klischee triefen – in eine andere Welt versetzt.

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Der Blick vom Eingang zum Altar.

In Aljoschas Selbstbeschreibung bevölkern transluzente und schwarze Lebewesen einer neuen Gattung die Kirche. Dafür hat der Künstler nicht an verschmolzenem Acryl-Glas gespart, welches er an dünnen Fäden von der Decke hängen lässt und dadurch schwerelose Skulpturen erschaffen hat. Wer mit den bisherigen Arbeiten des Künstlers vertraut ist, fühlt sich sehr an seine Installation “Funiculus umbilicalis” in der Dortmunder Petrikirche aus dem Jahr 2015 erinnert.

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Der Blick vom Altar zum Eingang.

Was die damalige Arbeit von der Jetzigen unterscheidet, ist sowohl die atmosphärische Enge der Johanniterkirche als auch die Möglichkeit der Deutung, welche – es sei genau diesem Ort geschuldet – testamentarische Assoziationen freisetzt. Hier wirkt die Rauminstallation, als ob man tonnenweise Wasser in den Raum geschüttet und kurz vor dessen Aufprall auf dem Boden die Pause-Taste gedrückt hätte. Der Besucher fühlt sich mittendrin im Kampf zwischen Gut und Böse, und wenn man diesem Narrativ durch den Raum folgt, lässt der Umstand, dass sich die schwarzen Figuren wie Krebsgeschwüre am Altar hochschlängeln, nichts zwingend Positives erhoffen. Das Ende bleibt offen.

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Die Installation zieht sich durch die ganze Kirche.

Für ein abschließendes Fazit darf nochmals Genesis 1,10 bemüht werden: Gott sah, dass es gut war.

Die Rauminstallation ist noch bis 10. Juni zu besichtigen. Mehr unter www.johanniterkirche.at.