„An deiner Sehnsucht Rand“

„Musik in der Pforte“ verwöhnte ihre Besucher mit romantischer Musik und Lyrik.
FELDKIRCH Es funktionierte wieder einmal tadellos, dieses perfekte Paket aus innovativem Konzept und hochkarätiger Umsetzung in einem Wohlfühl-Ambiente, das in Summe die Reihe „Musik in der Pforte“ ausmacht. Gefeiert wird dieser Langzeit-Erfolg im Montforthaus mit einem Sommernachtsball zum 25-jährigen Bestehen. Im dritten Abo-Konzert dieser Saison am Freitag ging es wesentlich inwendiger und beschaulicher zu. Das Rilke-Zitat „Geh bis an deiner Sehnsucht Rand“ bot die Vorlage für musikalische Deutungen, die freilich auch Gegensätzliches boten, um das Ganze nicht in Gefühlsduselei ertrinken zu lassen.
Eine junge Musikerin aus Teheran steht am Beginn im Mittelpunkt, Baran Mohammadbeigi, 24 Jahre alt.

Seit ihrem siebten Lebensjahr spielt sie Cello, studiert dieses Instrument seit 2016 am Kons bei Mathias Johansen und hat den Bachelor geschafft. Ihr Können zeigt sie in ihrer zweiten Disziplin, dem Komponieren, und präsentiert erstmals als „Pforte“-Auftragswerk ihr erstes Streichsextett, ein einsätziges Werk, das über eine bloße Talentprobe deutlich hinausgeht. Da gibt es neben natürlichen Einflüssen ihres bisherigen Musikerlebens durchaus eigenpersönliche Akzente in gekonnter Verarbeitung, eine rasante Pizzicato-Passage, Minimalistisches und immer wieder kurze Melodien, auch solche mit arabischem und jiddischem Einschlag, die sie dem Primarius Pawel Zalejski in seine wunderbar klingende Geige diktiert hat. Sechs profilierte Musiker eines namenlosen „Pforte“-Sextetts geben sich alle Mühe, das Stück klangvoll und inspiriert aufleben zu lassen. Die leicht erweiterte Tonalität sichert dem Sextett und seiner jungen Komponistin zudem den begeisterten Beifall des vollbesetzten Saals.

Baran Mohammadbeigi ist freilich nicht die einzige Frau im Programm. Mit einem Werk der österreichischen Komponistin Vilma von Webenau (1875 – 1953) wird einer bekannten Vorliebe von Kurator Klaus Christa Rechnung getragen und erneut eine Komponistin aus der Vergangenheit ans Licht gerückt. Ihre sechs „Sommerlieder“ für Streichquartett über bestimmte Blumenarten passen wunderbar ins Konzept und erleben vor allem klanglich kostbare Momente als reizende, teils etwa betulich anmutende Petitessen, denen die Komponistin noch ein eigenes lyrisches Aperçu mit auf den Weg gegeben hat, das Mohammadbeigi melodramatisch vorträgt.

Webenau war eine der ersten Schülerinnen von Arnold Schönberg, berühmt geworden im Wien der Jahrhundertwende als einer der Väter der Neuen Musik. Sein Streichsextett „Verklärte Nacht“, das man sich als grandiosen Höhepunkt aufgespart hat, ist in seiner blühenden Spätromantik ein Ausreißer im Gesamtwerk des Erfinders der kargen Zwölftonmusik. Mehr noch: Es gibt in der gesamten Kammermusik wohl kaum eine innigere, gefühlsbetontere Umsetzung des Begriffs Sehnsucht, als es in dieser musikalischen Deutung eines Gedichts von Richard Dehmel zum Ausdruck kommt.
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Die sechs Musiker mit Pawel Zalejski und SonHa Choi, Violine, Klaus Christa und Guy Speyers, Viola, sowie Mathias Johansen und Kajana Packo, Violoncello, scheinen wie verwachsen mit dem Werk, das in einer mustergültigen Version entsteht. Jeder erhebt aus dem dichten, samtenen Gesamtklang bei Bedarf seine Stimme, gemeinsam bewältigen sie in unglaublicher Intensität und Schönheit der Klangfarben die Dramaturgie von der Verzagtheit bis zum erlösenden Ende. Von ihrer Konzentration im Spiel sind danach alle ganz schön geschafft, das Publikum aber hat in diesen 30 Minuten kaum zu atmen gewagt, bevor ein Orkan des Jubels losbricht.
Fritz Jurmann