Ein spannendes Kräftemessen bei der Schubertiade

Leonkoro- und Modigliani Quartett matchen sich an Smetana und Schubert.
Fritz Jurmann
HOHENEMS. Zwischen den beiden großen Programmblöcken der Schubertiade im Juni und August in Schwarzenberg kehrt das Festival traditionsgemäß für kurze Zeit an seinen Gründungsort zurück und bietet im Markus-Sittikus-Saal fünf kammermusikalische Sommerkonzerte. In dreien davon ist diesmal der vielseitige US-Amerikaner Kit Armstrong so etwas wie der „Artist in Residence“. Doch bereits das Eröffnungskonzert am Donnerstag erbrachte mit dem Debüt des erst 2019 gegründeten, früh erfolgreichen jungen Berliner Leonkoro-Quartetts im direkten Vergleich mit den berühmten Kollegen vom französischen Quatuor Modigliani einen Paukenschlag ganz anderer Art.

Es war in der Tat ein spannendes Kräftemessen, das sich da zwischen den beiden in vielerlei Hinsicht unterschiedlichen Ensembles entspann. Den etablierten Franzosen hat man im Vorjahr hier eine hoch aktuelle zyklische Deutung von Schuberts Streichquartettwerk zu danken, die in Erinnerung geblieben ist. Entgegen den Erwartungen aber wird diesmal zu Beginn das frühe Quartett g-Moll, D 173, das der 18-jährige Schubert von seiner zweiten Symphonie ableitete, jedoch nicht ihnen anvertraut, sondern der von jugendlicher Vitalität befeuerten Truppe, deren Namen „Leonkoro“ sich aus dem Esperanto-Begriff für „Löwenherz“ ableitet. Und die auch so spielen: schroff, draufgängerisch, ungeschönt wie „Junge Wilde“, die vom ersten Moment an durch ihre helle, brillante Klanglichkeit fesseln, enorme Bühnenpräsenz und freche Risikofreude, getragen von den beiden Brüdern Schwarz, Jonathan als Primarius und dem etwas rätselhaften Lukas am Cello, ergänzt durch die beiden Damen Amelie Wallner und Mayu Konoe. Spontane Zustimmung beim Publikum.

Von ganz anderem Zuschnitt dann die Art, wie die Modiglianis Smetanas e-Moll-Quartett „Aus meinem Leben“ inszenieren. Alles ist eingebettet in einen satten, samtigen Klang, bestimmt von der Reife und Homogenität ihres langjährigen Zusammenwirkens, den glühenden Farben und Rhythmen aus der slawischen Folklore, die der Komponist ihnen da ein Jahr vor seinem Tod als Abgesang an das Leben mitgegeben hat. Das gespannte Publikum kann sich danach nur schwer aus dieser Aura des Schwelgens in Erinnerungen lösen, wie sie Primarius Amaury Coeytaux, Loic Rio, Laurent Marfaing und Francois Kieffer in höchster Präsenz und Kompetenz vermitteln.

Gibt es noch eine Steigerung? Ja, indem man beide Quartette zu einem Oktett vereinigt und diesem das berühmte, leider viel zu wenig gespielte Streichoktett Es-Dur von Felix Mendelssohn-Bartholdy anvertraut. Da duplizieren sich nun die vielen guten Eigenschaften der beiden Ensembles zu einem kostbar, oft fast orchestral und dennoch ungemein transparent klingenden und funktionierenden Streichergebilde in diesem zweifellos „großen Wurf“, der dem 16-jährigen Komponisten da vor dem Hintergrund seiner zwölf frühen Streichersymphonien gelungen ist. Die Steigerung im wild aufrauschenden Finalsatz mit seinem Fugenthema ist ebenso unbeschreiblich wie der Jubel des vollbesetzten Saales, denn viele Zuhörer sind offensichtlich vor allem dieses Werkes wegen gekommen. Zu ihrer Beruhigung gibt es nochmals das Scherzo.
Schubertiade heute: 16 Uhr Klavierabend Kit Armstrong, 20 Uhr Klaviertrio; Sonntag 11 Uhr Aris Quartett mit Kit Armstrong