D‘r Rhin kunnt

Theater im Kies feiert die Uraufführung des Stücks „Die Korrektur eines Tunichtguts“ von Heidi Salmhofer.
altach Im Freilichttheater mit Blick auf den Alten Rhein im Kieswerk „Kopf-Kies-Beton“ in Altach zu sitzen, ist schon Grund genug, die Seele baumeln zu lassen. Wenn man dann noch mit einem Theaterstück verwöhnt wird, ist es fast perfekt. Ein unglaublich ambitioniertes Team von Laienschauspielern hat das Stück „Die Korrektur eines Tunichtguts“ der Autorin Heidi Salmhofer, die auch Regie führte, auf die Bühne gebracht. Im Kern geht es um den Rheindurchstich (Diepoldsauer Durchstich), der am 18. April 1923 vollendet wurde, erzählt aus verschiedenen Perspektiven. Collagenartig reihen sich Szenen aneinander, mal humorvoll, mal Geschichtsunterricht auf unterhaltsame Weise, mal bedrückend. Immer wieder, so zumindest in den ersten 30 Minuten, ist das Hochwasser des Rheins Thema: „D‘r Rhin kunnt!“ Der Hochwasser führende Strom reißt alles mit sich, was sich ihm entgegenstellt. Die Personifizierung des Rheins ist der „Tunichtgut“, einfühlsam und sehr glaubhaft verkörpert von Stefan Bösch: „Mein Leben ist ein Fluss, in der einen Zeit reißend, in der anderen sanft. Seid wachsam, eure Felder sind meine Spielwiese.“ Das Hochwasser zwingt einige, ihre angestammte Heimat zu verlassen. „Uswandra“ wird zum Thema, aber nicht ins Tirol: „Des isch, wia wenn d’an Pottwal uf d’r Hoha Kugel uswildra wättascht. Genauso passend“, empört sich Harald Eisenhofer, alias Martin, der in mehreren Rollen (u. a. auch als Kreisleiter Toni Plankensteiner) glänzt.
Ebenso Marcus Harm, der als Oberhofmeister in der Hofburg, als Schmuggler, als Arbeiter Angelo, als Paul Grüninger (jener Schweizer Grenzchef, der 1938/39 Hunderten jüdischen und anderen Flüchtlingen das Leben rettete) sein Bestes gibt. Auch Wolfgang Rainer als Kaiser Franz Joseph I. ist sehr gut besetzt.
Flüchtlinge über den Rhein
Während der erste Teil von Szenen wie Überschwemmungen, Bittgängen zum Kaiser um finanzielle Unterstützung, Wirtshausgesprächen, Liebesaffären, Schmugglern und schließlich der Durchbruchsfeier getragen wird, zeigt der zweite Teil vor allem das Schicksal jener Menschen, die vor dem Holocaust und der Verfolgung durch die Nationalsozialisten über die Grenze in die Schweiz flohen. Bekanntlich wurde vielen von ihnen damals die Einreise in die Schweiz verweigert und sie wurden zurückgeschickt.
In den meisten Fällen bedeutete dies das sichere Todesurteil. Sehr eindrucksvoll und bedrückend zugleich dargestellt und inszeniert. 14 Personen, junge, alte, Frauen, Männer, gehen mit ihren Habseligkeiten in den Händen apathisch und gebrochen in einem Kreis, fallen nieder, rappeln sich auf, der Rhein/Tunichtgut versucht sie aufzurichten, während immer wieder eine Darstellerin aus dem Kreis tritt und seine Biografie vorträgt. Chapeau!
Dann folgt noch die Zeit der Swinging Sixties bis heute. Badende, Sonnenanbeter, Fischer, Freizeitaktivisten. „Ich werde die Landschaft und die Menschen um mich herum prägen, ich bin da“, sagt der Rhein/Tunichtgut, und er wird daraufhin von einer Selfie-machenden Joggerin versehentlich ins Wasser gestoßen, plumps. Ein genialer Regieeinfall.
Großes Lob an alle Laienschauspieler aus sieben Gemeinden rund um den Rhein, die mit ihren ortstypischen Dialekten das Stück lebendig werden lassen. Natürlich könnte am Text noch gefeilt werden, aber alles in allem eine außergewöhnliche Aufführung. Man spürt das Herzblut aller Beteiligten. Das Premierenpublikum war begeistert. Stehende Ovationen. THS
Theater im Kies: „Die Korrektur eines Tunichtguts”. Alle fünf Vorstellungen sind ausverkauft.