Bestsellerautorin Monika Helfer legt neuen Roman vor

Kultur / 30.08.2023 • 16:40 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Monika Helfer veröffentlichte ihren neuen Roman. <span class="copyright">Nini Tschavoll</span>
Monika Helfer veröffentlichte ihren neuen Roman. Nini Tschavoll

Nach ihrer erfolgreichen Familientrilogie wendet sich die Vorarlberger Autorin in ihrem neuen Roman “Die Jungfrau” einer Jugendfreundin zu.

Marion Hofer

Schwarzach Der weibliche Vorname Gloria bedeutet übersetzt „der Ruhm“ und „die Ehre“. Gloria ist aber auch Musik in den Ohren, wenn Umberto Tozzi 1979 sehnsuchtsvoll seine Traumfrau besingt, die ihm „fehlt wie die Luft“. Seit 21. August glänzt „die Ruhmreiche“  nun auch in der Literatur. “Die Jungfrau” heißt der neue, bei Hanser erschienene Roman von Monika Helfer, die ihre Titelheldin bereits durch die Namensgebung charakterisiert.

Gloria ist schön, klug und sorglos im Umgang mit Geld. Ihr Markenzeichen: ein Schmollmund wie der von Brigitte Bardot und der hochgebundene, stets wippende Rossschwanz über dem selbstbewussten Nacken. Sie wuchs mit ihrer alleinerziehenden Mutter in einer feudalen Villa am Hang auf, umgeben von einem riesigen Garten, in dem eine Steinbank stand. Sie ist damit das krasse Gegenteil von Moni, die nach dem Tod ihrer Mutter mit ihren Schwestern zu einer Tante nach Bregenz zog. Dort, in der Südtirolersiedlung, sind die Verhältnisse ärmlich, die Wohnung eng und das Geld knapp.

"Die Jungfrau" führt bereits die "Das Buch"-Bestsellerliste an.
"Die Jungfrau" führt bereits die "Das Buch"-Bestsellerliste an.

Die 75-jährige Bestseller-Autorin widmet ihren neuen Roman der Mädchenfreundschaft zwischen Moni und Gloria. Über die intensive Zeit zwischen 13 und 18 erzählt Helfer rückblickend und nicht chronologisch. Vielmehr nimmt sie die Wiederbegegnung nach Jahrzehnten zum Anlass und erzählt in der Ich-Form über das immer ambivalenter werdende Verhältnis der beiden Teenager, die zum einen eine innige Freundschaft pflegen, in dem zum anderen aber auch Neid eine Rolle spielt.

Wie bei der autobiografischen Familien-Trilogie (Die Bagage, Vati, Löwenherz) wählte Monika Helfer auch für “Die Jungfrau” das Genre der Autofiktion. Wieder schreibt sie in einer überzeugenden Offenheit, so als säße man ihr gegenüber und unterhalte sich über die nicht immer nur guten alten Zeiten. Rückwirkend ist manches nüchterner, ja sogar distanzierter zu betrachten, anderes wiederum lässt Gefühle hochkommen, als habe man die Zeit zurückgedreht und man fühlt sich wieder wie damals mit 17 Jahren.

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So liest sich etwa der Höhepunkt des Romans, als Gloria und Moni zu einem Trip nach New York aufbrachen, um sich in der Stadt, die niemals schläft, „entjungfern“ zu lassen. Gloria, mit einem großen Koffer aus weißem Kunststoff und dem geklauten Geld der Mutter. Moni mit einem kleinen Koffer, unschön aus brauner Pappe, mit verstärkten Ecken und einem Herrengürtel rundum, weil auf die Schlösser kein Verlass war. Auch in “Die Jungfrau” thematisiert Helfer die Klassenfrage.

Übrigens: Das Gloria in der Mehrzahl sprach – “In New York lassen wir uns entjungfern” -, ärgerte mich gar nicht, im Gegenteil, ich triumphierte, innerlich, gesagt habe ich nichts: Ich war nicht mehr Jungfrau. (aus Die Jungfrau, Seite 80)

Die beiden trafen sich am Bregenzer Bahnhof. Gloria hatte einen Fotoapparat dabei. Angekommen am Zürcher Flughafen, blieb New York  für die Mädchen jedoch unerreichbar. Sie waren noch minderjährig. Also fuhren sie mit dem Taxi in die Stadt und übernachteten im teuersten Luxushotel Baur au Lac. Es folgte ein Kaufrausch, bei dem jedes Teil doppelt erstanden wurde. Und ein Abend, der mit einem übergriffigen Blow-Job endete. Ein Amerikaner hatte Gloria den Slip heruntergerissen, um ihr zu zeigen, was das ist. Sie wusste es nicht.

Monika Helfer ist eine vielfach ausgezeichnete Schriftstellerin. <span class="copyright">VN/Paulitsch </span>
Monika Helfer ist eine vielfach ausgezeichnete Schriftstellerin. VN/Paulitsch

Dass Gloria nie mit einem Mann geschlafen hat, verrät sie Moni schon beim ersten Wiedersehen. Doch obwohl dieses Geständnis titelgebend ist, spielt es im Roman selbst kaum eine Rolle. Vielmehr schafft Helfer gekonnt den Spagat aus Bekenntnis und Erfindung, der das Erzählte zum Spiel zwischen Lesenden und Autorin werden lässt. Was ist wahr, was ist erfunden, darf erraten werden. Verraten wird es die Erfolgsautorin hingegen nie. Die eingeflochtenen Gespräche mit ihrem Schriftsteller-Ehemann Michael Köhlmeier unterbrechen und reflektieren. Ihm widmet Helfer auch dieses Buch.

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Der Erfolgsautorin gelingt es, die einstige Verbundenheit spürbar zu machen, zum Beispiel bei gemeinsamen Ritualen. So kannten die Mädchen als Teenager der 60er-Jahre alle Schlager auswendig und waren glücklich, wenn sie hinunter zum See rannten und einen nach dem anderen sangen. Aber auch dem Konkurrenzdenken, der Unterschiedlichkeit und dem Unverständnis bietet sie Raum. Gloria und Moni sind sich so nah und doch immer fern. Daraus ergibt sich eine Einzigartigkeit, die die beiden für sich erschaffen haben und die ihre Freundschaft erzählenswert macht. Und obwohl die Familientrilogie abgeschlossen ist, setzt sich die Reihe mit “Die Jungfrau” fort. Die Bestseller-Liste von “Das Buch” führt Monika Helfers Roman jedenfalls schon an.

Monika Helfer

Geboren: 1947

Familie: verheiratet mit Michael Köhlmeier, 4 Kinder

Preise: Solothurner Literaturpreis für das Gesamtwerk, Bodensee-Literaturpreis für das Gesamtwerk, Schubart-Literaturpreis für “Die Bagage”, Deutscher Buchpreis – Shortlist mit Vati, Johann-Peter-Hebel-Preis, Nominierung zum Österreichischen Buchpreis (Longlist) mit Bettgeschichten und Andere.

Monika Helfer: Die Jungfrau. Hanser Verlag, 152 Seiten; Lesung: Dienstag, 10. Oktober 2023, Franz-Michael-Felder-Archiv, Kirchstraße 28, 6900 Bregenz