Doris Knecht macht den Halbzeit-Pfiff

Martin G. Wanko sprach mit der Bestsellerautorin und VN-Kolumnistin über ihr neuestes Buch.
Schwarzach Die gebürtige Vorarlbergerin Doris Knecht gastiert mit ihrem Bestseller „Eine vollständige Liste der Dinge, die ich vergessen habe“ am 20. September im Dornbirner Spielboden. Ein Gespräch über Glück im Leben, Romane aus der Feder von Frauen oder Männern und Virginia Woolf.
Frau Knecht, wie kam die Idee zu einem Halbzeit-Bilanz-Roman?
Knecht Ich hatte Lust, ein anderes Buch zum Thema Älterwerden zu schreiben; ein fröhliches. Ich hab so viel Bedrückendes und Deprimierendes darüber gelesen, wie es Eltern geht, wenn die Kinder ausziehen: Ich wollte etwas Positives und Optimistisches dazu schreiben. Es lauern ja auch neue Chancen dahinter und viel Freiheit!
Wie viel steckt in der von Ihnen beschriebenen Frauenfigur von der „echten“ Doris Knecht?
Knecht Wer meine Kolumnen für VN und Falter kennt, weiß, dass sich die biografischen Eckpunkte mit meinen decken. Aber innerhalb dieser Koordinaten ist wirklich viel erfunden. Es ist ja ein Roman, keine Autobiografie. Es geht darum, eine gute Geschichte zu erzählen.
Die Ich-Erzählerin im Roman hat das Leben als Journalistin durchaus genossen, aber mit der Belastung Kinder-Haushalt-Job wurde scheinbar das Glück verbraucht – kann man das so sagen?
Knecht Nein, ich würde es nicht so sagen. Das Glück wird für meine Erzählerin durch die Kinder viel größer. Aber das Leben ist für eine erwerbstätige Mutter einfach auch immer extrem anstrengend und überfordernd, ganz besonders, wenn es sich um eine alleinerziehende Mutter handelt.
Die zumindest teilweise Rückkehr aufs Land ist für die Ich-Erzählerin eine Art Ankunft bei sich selbst, oder?
Knecht Nicht unbedingt. Meine Ich-Erzählerin hat das Privileg, dass sie beides hat, und sich nicht entscheiden muss. Sie liebt den Trubel in der Stadt, das Ausgehen, aber sie braucht auch die Ruhe am Land und den Wald am Morgen. Aber ja: Sie fühlt sich wieder zu Hause am Land und kann in der Stille gut arbeiten.
Hat man es als Frau nach wie vor schwerer?
Knecht Ja, leider. Es ändert sich alles viel zu langsam.
Beim Lesen bekam ich manchmal das Gefühl, es sei ein Roman „von einer Frau für Frauen“. Kann man das so sagen?
Knecht Meinen Sie wirklich? Seit Jahrhunderten ist es Tradition, dass männliche Schriftsteller die Literatur dominieren und Frauen Bücher von Männern über Männer lesen, über ihre Gedanken, Probleme, Weltanschauungen.
Das kann man nur dann so sagen, wenn man der Meinung ist, dass die Geschichten von und über Frauen, Erzählungen über Frauenleben, Frauenkörper, übers Kinderkriegen und -großziehen für Männer uninteressant sind. Ich kann das übrigens auch nicht bestätigen: Ich bekomme viele sehr positive Reaktionen von Männern auf mein Buch, die sich darin ebenfalls wiederfinden. Das macht mir Hoffnung.
Haben Sie das Buch in einem durchgeschrieben oder brauchte das Zeit?
Knecht Ich habe die einzelnen Kapitel geschrieben, so ein bisschen wie Kolumnen, und sie dann so zusammengepuzzelt, dass sie einen Spannungsbogen ergeben, einen Anfang haben und einen Schluss. Und ja: Jedes Buch braucht Zeit. Und viel Sitzfleisch.
Sie verwendeten Virginia Woolf als Eingangszitat Ihres Romans. Welches Verhältnis haben Sie zu ihr?
Knecht Ein gutes. Sie war eine fantastische wegweisende Schriftstellerin, der klar war, dass eine Frau zum Schreiben Ruhe braucht und ein bisschen Geld. In meinem ersten Schreibzimmer hing lange eine Postkarte von ihrem Buch „Ein Zimmer für sich allein“.
Werte Frau Knecht, die VN bedanken sich für das Gespräch.
Doris Knecht liest am Mittwoch, 20. September um 20 Uhr im Dornbirner Spielboden.