Liebe und Leidenschaft

Der Chor Gioia und das Ensemble konz.art präsentierten eine Uraufführung in der Basilika Rankweil.
Rankweil Eines vorweg: Es war ein fulminantes Konzertereignis, das am vergangenen Sonntag im Rahmen der Rankweiler Konzertreihe in der Wallfahrtskirche Basilika Rankweil über die Bühne ging. Unter dem Titel “Love and Passion” präsentierte der Gioia-Chor unter der Leitung von Philipp Nesensohn gemeinsam mit dem Ensemble konz.art ein anspruchsvolles Programm, eingebettet zwischen Volkslied und Moderne. Musikalischer Höhepunkt des Abends war die Uraufführung des Werkes „Morgenröte“ des Dornbirner Komponisten Thomas Thurnher. Die Komposition basiert auf einem Text von Francesco Colonna, genauer gesagt auf der „Hypnerotomachia Poliphili“ von 1499, der Thurnher im Rahmen der Uraufführung (19. August 2020) der Oper „Wind“ von Alexander Moosbrugger im Festspielhaus erstmals begegnete.

Das schönste Buch der Welt
Ein wundersames und rätselhaftes Buch, das Umberto Ecco einmal als das „schönste Buch der Welt“ bezeichnete, ein Kaleidoskop der Renaissance und eine schier unerschöpfliche Fundgrube für Liebesbezeugungen und vergebliche Liebesbemühungen, aber auch ein Handbuch der Architektur und Gartengestaltung (Holzschnitte). Einer der Holzschnitte zeigt einen Elefantenobelisken, der vermutlich den großen Bildhauer Gian Lorenzo Bernini zu seinem Entwurf „Obelisco della Minerva“ (1677) vor der Kirche Santa Maria Sopra Minerva/Rom inspirierte. Inhaltlich standen sicherlich Dante Alighieris „Göttliche Komödie“ (1320), Francesco Petrarcas „Canzoniere“ (1369) oder Giovanni Boccaccios „Decamerone“ (1353) Pate, in denen es um Liebe, Eros und Leidenschaft geht. Ein Mann namens Poliphilo träumt von wundersamen Tieren, verwunschenen Gebäuden, verzauberten Gärten und seiner großen Liebe Polia. Gerade als er seine Geliebte küssen will, erwacht Poliphilo aus seinem Traum. Thurnher hat seine Komposition dem stimmgewaltigen Gioia-Chor sozusagen auf den Leib geschrieben. Er komponierte ein 22-minütiges Stück mit schwierigen Streicherpassagen und anspruchsvollen Trompetensoli (herausragend Ulrich Mayr an der Trompete). Thurnher hat mit „Morgenröte“ eine außergewöhnliche Klangsphäre geschaffen, man könnte von der musikalischen Form her von einer Art „Kettenform“ sprechen, die Motive sind sehr geschlossen und die Modi wechseln kaum. „Ich habe rund ein halbes Jahr an dieser Komposition gearbeitet und es hat mir eine große Freude bereitet. Für die Umsetzung braucht es aber einen sehr gut ausgebildeten Chor und eine Spitzenbesetzung in der Instrumentalistik, beides war mit dem Chor Gioia und dem Ensemble konz.art gegeben“, so der Komponist Thomas Thurnher.
Von Schubert zu Morricone
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Weitere musikalische Höhepunkte des Abends waren unter anderem Astor Piazzollas „Invierno Porteno“, argentinische Seele vom Feinsten, und Beyoncés „Halo“ in einer unglaublich kraftvollen Streicher-Version des wunderbar distinguiert aufspielenden Ensembles konz.art (Sandra Marttunen/Violine, Joachim Tschann/Violine, Karoline Kurzemann-Pilz/Viola, Thomas Dünser/Violoncello, Bernd Konzett/Kontrabass), die in der Schlusspassage stark an Johann Sebastian Bachs Cellosuite Nr. 1 erinnerte. Ein absoluter Hörgenuss waren auch Ennio Morricones „Deborah’s Theme“ aus dem Film „Es war einmal in Amerika“ von Sergio Leone sowie Franz Schuberts „Andate con moto“ aus dem Streichquartett Nr. 14. In himmlische Klangsphären entführte der Chor Gioia mit „Let my love be heard“ von Jake Runestad. Ein kleiner Wermutstropfen war das allerletzte Stück des Abends, Billy Joels „Lullaby“, man hätte sich vielleicht einen noch eingängigeren Ohrwurm gewünscht.
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Die Basilika in Rankweil war bis auf den letzten Platz gefüllt und das Publikum goutierte das außergewöhnliche Konzertereignis mit langanhaltendem Applaus und Standing Ovations.
THS