Dornbirner Tatsachen im Fokus

Kultur / 15.11.2023 • 14:40 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Die aktuelle Ausstellung im Stadtmuseum steht unter dem Motto „Tatsachen. Das materielle Erbe des Nationalsozialismus“.   <span class="copyright">Dominik Kummer (5)</span>
Die aktuelle Ausstellung im Stadtmuseum steht unter dem Motto „Tatsachen. Das materielle Erbe des Nationalsozialismus“. Dominik Kummer (5)

Eine Erkundung des materiellen Erbes des Nationalsozialismus im Stadtmuseum Dornbirn.

Dornbirn Am 9. November, dem 85. Jahrestag der Novemberpogrome 1938, öffnete das Stadtmuseum Dornbirn die Türen zur Sonderausstellung “Tatsachen. Das materielle Erbe des Nationalsozialismus”. Diese Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck. Sie stellt eine bemerkenswerte Initiative dar. Sie beleuchtet nicht nur das materielle Erbe des Nationalsozialismus, sie lädt auch dazu ein, tiefer in die Vergangenheit einzutauchen. Ziel ist es, das kollektive Erbe und die daraus resultierende Verantwortung zu erforschen.

Statt in glänzenden Vitrinen und auf beleuchteten Podesten werden die Objekte in milchigen, halbtransparenten Euroboxen präsentiert.  <span class="copyright">Stadt Dornbirn</span>
Statt in glänzenden Vitrinen und auf beleuchteten Podesten werden die Objekte in milchigen, halbtransparenten Euroboxen präsentiert. Stadt Dornbirn

Die Ausstellung folgt dem Partizipationsprinzip und bezieht die lokale Bevölkerung mit ein. Im Sommer 2022 richtete das Museum eine Sammelstelle ein, das “Büro für schweres Erbe”. Hier konnten Bürger NS-Objekte abgeben oder Fragen zu ihrer Familiengeschichte stellen. Die Initiative fand beachtliche Resonanz: Rund 50 Personen nahmen Kontakt mit dem Museum auf. Sie gaben entweder Erbstücke ab oder erforschten ihre familiären Verbindungen zur NS-Zeit. Die präsentierten Objekte und Geschichten stammen von Dornbirner Bürgern – Nachkommen, Flohmarktgängern und Zufallsfindern. Sie spiegeln die generationenübergreifende Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in den Familien wider. Sie zeigen deren Bedeutung für die heutige Gesellschaft.

Bürgermeisterin Dipl.-Vw. Andrea Kaufmann (4.v.l.) betonte bei der Eröffnung die Bedeutung der Bürgerbeteiligung.
Bürgermeisterin Dipl.-Vw. Andrea Kaufmann (4.v.l.) betonte bei der Eröffnung die Bedeutung der Bürgerbeteiligung.

Die Ausstellung bietet ein umfangreiches Vermittlungsprogramm. Es umfasst öffentliche Führungen, eine Filmreihe, Vorträge und Workshops. Experten wie Peter Pirker und Florian Guggenberger setzen sich mit dem Widerstand und den Opfern des Nationalsozialismus in Vorarlberg auseinander. Sie bereichern das Verständnis für den historischen Kontext der präsentierten Objekte. Bürgermeisterin Dipl.-Vw. Andrea Kaufmann betonte bei der Eröffnung die Bedeutung der Bürgerbeteiligung. Sie dankte dem Institut für Zeitgeschichte und den beteiligten Familien für die Bereitschaft, ihre zum Teil schmerzlichen Erinnerungen zu teilen. Auch Kulturstadtrat Dr. Alexander Juen unterstrich die Absicht, den Umgang der nachgeborenen Generationen mit dem NS-Erbe zu begleiten und zu unterstützen.

Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck.
Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck.

Die Ausstellung zeigt, dass der Nationalsozialismus tief in den Familienstrukturen verankert war und nicht einfach von außen kam. Es stellt sich die Frage, wie mit den materiellen Hinterlassenschaften dieser Zeit umzugehen ist, zumal das offizielle Wissen über die NS-Zeit zunimmt, die innerfamiliäre Überlieferung jedoch verblasst. Das “Büro für schweres Erbe” im Museum dient als Sammelstelle für NS-Erbstücke, die von der Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden. Diese Initiative zeigt das Bedürfnis vieler Menschen, sich ihrer Erbstücke aus der NS-Zeit zu entledigen und sicherzustellen, dass sie nicht in falsche Hände geraten.

Die Ausstellung dauert bis zum 31. Oktober 2024.   <span class="copyright">Stadt Dornbirn</span>
Die Ausstellung dauert bis zum 31. Oktober 2024. Stadt Dornbirn

Die Art der Präsentation der Exponate ist bewusst gewählt. Statt in glänzenden Vitrinen und auf beleuchteten Podesten werden die Objekte in milchigen, halbtransparenten Euroboxen präsentiert. Diese Präsentation vermeidet eine Ästhetisierung der Objekte und lädt den Besucher ein, tiefer zu schauen. Über QR-Codes zugängliche Datenbanken, lebensgeschichtliche Filminterviews und Audio-Einspielungen erzählen die Geschichten hinter den Objekten.

Im Sommer 2022 richtete das Museum eine Sammelstelle ein, das "Büro für schweres Erbe".
Im Sommer 2022 richtete das Museum eine Sammelstelle ein, das "Büro für schweres Erbe".

Die Ausstellung ist nicht nur ein Blick in die Vergangenheit, sondern auch ein Dialog mit der Gegenwart. Sie eröffnet einen Raum für die Auseinandersetzung mit dem schweren Erbe und stellt die Frage nach unserer kollektiven Verantwortung. Der angemessene Umgang mit diesen Objekten geht uns alle an – und das Stadtmuseum Dornbirn stellt sich dieser Herausforderung mit einer klaren Botschaft der Aufklärung und des Dialogs.

“Tatsachen. Das materielle Erbe des Nationalsozialismus” läuft bis zum 31. Oktober 2024, weitere Informationen zur Ausstellung finden Sie auf der Website des Stadtmuseums Dornbirn: www.stadtmuseum.dornbirn.at.