Ulrich Matthes glänzt als Dorfrichter Adam

Meisterhafte Inszenierung von Heinrich von Kleists „Der zerbrochne Krug“ in Bregenz.
Bregenz Heinrich von Kleists Lustspiel „Der zerbrochne Krug“ ist zweifellos ein Klassiker der deutschen Literatur, der seit seiner Uraufführung 1808 immer wieder begeistert. Die jüngste Inszenierung von Anne Lenk am Kornmarkttheater Bregenz zeigt, wie zeitlos und aktuell das Stück ist, vor allem durch die brillante Darstellung des Dorfrichters Adam durch Ulrich Matthes, der sich nahtlos in die Riege herausragender Schauspieler einreiht, die diese Rolle bereits verkörpert haben, darunter Emil Jannings, Klaus Maria Brandauer und zuletzt Michael Maertens am Burgtheater. Was Matthes an Schauspielkunst auf die Bühne bringt, sucht seinesgleichen. Jede Geste, jedes Wort, ja selbst das feinste Zucken einer Augenbraue sind perfekt. Dennoch: Obwohl er zweifellos einer der bedeutendsten Schauspieler der deutschen Sprache ist, stehen ihm seine Bühnenpartner – fast – ebenbürtig zur Seite.
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Das Stück spielt im kleinen Dorf Huisum, wo Dorfrichter Adam einen zerbrochenen Krug zu verhandeln hat. Die Witwe Marthe Rull klagt, dass der Krug nachts im Zimmer ihrer Tochter Eve zerbrochen sei. Der Prozess, der zunächst einfach scheint, entwickelt sich schnell zu einem komplizierten Geflecht aus Lügen und Vertuschungen. Kleist enthüllt durch geschickte Dialoge und pointierte Charakterzeichnungen nach und nach die Wahrheit: Richter Adam selbst ist der Schuldige, der in der Nacht heimlich bei Eve war und den Krug zerschlagen hat. Die Komik entsteht durch Adams verzweifelte Versuche, seine Schuld zu verbergen und gleichzeitig den Prozess zu leiten. Die Handlung wird durch den Besuch des Gerichtsrats Walter unterstützt, der Adams Unfähigkeit und Korruption aufdeckt. Kleists Werk ist nicht nur ein amüsantes Theaterstück, sondern auch eine tiefgründige Satire auf die Justiz und die menschliche Schwäche. Es zeigt, wie Machtmissbrauch und Korruption selbst in den kleinsten Dörfern existieren und wie schwierig es ist, die Wahrheit ans Licht zu bringen, wenn diejenigen, die sie aufdecken sollen, selbst darin verwickelt sind.

Unter der großartigen Regie von Anne Lenk wird der Dorfrichter Adam als #MeToo-Täter dargestellt, was dem Stück eine aktuelle Dimension verleiht. Diese Interpretation stellt das Thema Machtmissbrauch in den Kontext der heutigen Gesellschaft. Matthes’ Darstellung des übergriffigen Richters verleiht dem Stück Brisanz und Relevanz. Dass der Gerichtsrat Walter von einer Frau gespielt wird, unterstützt die Thematik. Anne Lenk gelingt es hervorragend, das klassische Lustspiel klug auszubalancieren und oft komisch zu inszenieren. Die Inszenierung ist eine Feier der wunderbar verdrehten Kleistschen Sprache und bietet manchmal hinreißende Albernheit. Sie verliert sich jedoch nie darin, sondern bleibt stets eine äußerst intelligente und – auch das ist möglich – unterhaltsame Darstellung männlichen Machtmissbrauchs. Die Kostümbildnerin Sibylle Wallum hat die Darsteller in orangefarbene Kleider und pseudo-traditionelle Kostüme gesteckt. Die Bühne, gestaltet von Judith Oswald, wird von einem riesigen Stilllebengemälde aus dem 17. Jahrhundert dominiert, das Schinken, Austern, Trauben und einen Papagei zeigt. Die Besetzung ist hervorragend. Jeremy Mockridge als Licht, Franziska Machens als Marthe Rull, Lisa Hrdina als Eve Rull, Tamer Tahan als Ruprecht Tümpel und Julia Windischbauer als Brigitte tragen zur Gesamtwirkung des Stückes bei. Besonders hervorzuheben ist Lorena Handschin, die als Gerichtsrat Walter eine beeindruckende Präsenz zeigt und der Inszenierung zusätzliche Authentizität verleiht.