Das ist Kunst und darf nicht weg

Der Kulturservice Bregenz rückt die Kunst im öffentlichen Raum ins Rampenlicht.
Bregenz Es gibt Städte, die glauben, ein paar höflich hingestellte Skulpturen könnten schon als Kulturpolitik durchgehen. Und es gibt Bregenz. Eine Stadt, die Kunst im öffentlichen Raum nicht als schmückende Toleranzübung begreift, sondern als notwendige Zumutung. “Beyond Decoration”, eine Initiative des Kulturservice, zeigt, was geschieht, wenn eine Stadt ihren Raum ernst nimmt – und die eigenen Bürger gleich mit. Das beginnt schon beim Bürgermeister selbst, der beim morgendlichen Espresso von seinem Balkon aus auf das Werk “Acts” von Gerhard Himmer blickt. “And if a double-decker bus crashes into us, to die by your side is such a heavenly way to die,” steht da im Innenhof des Magazin 4 in roten Lettern an der Wand geschrieben. Die Intensität jugendlicher Liebe kennt eben kein Alter.
Kulturstadtrat Reinhold Einwallner bringt es auf den Punkt: „Kunst im öffentlichen Raum ist Demokratie im eigentlichen Sinne.“ Ein Satz, der umso schärfer wirkt, seit „Kunst am Bau“ auf Landesebene abgeschafft wurde – ein kulturpolitisches Manöver ohne geistigen Gewinn. Bürgermeister Michael Ritsch spricht von einem „Fixstern im Stadtbild“. Und Kulturservice-Leiterin Judith Reichart, die auch als Kuratorin fungiert, macht deutlich, dass dieser Fixstern nicht zufällig leuchtet.

Reicharts Konzept behandelt den öffentlichen Raum nicht als Kulisse, sondern als Partner mit eigener Meinung. Die Kunst im öffentlichen Raum, zumindest die ausgewählten 26 Positionen, bestätigt sie darin: Bechtolds strenge Setzungen, Ruth Schnells digitale Eingriffe, Gassners präzise Zeichen. Alles zusammen verwandelt die Stadt in einen Satz, der keinen Schlusspunkt kennt.
Dass die begleitende Ausstellung (Eröffnung am 20. November, 18.30 Uhr, im Magazin 4, Bergmannstraße 6) nicht nur gedacht, sondern geschliffen erscheint, verdankt sie “Ahoi – Atelier für Gestaltung”, also Astrid Neumayr und Lena Seeberger. Ihre Gestaltung ist kein Beiwerk, sondern Haltung: typografisch klar, räumlich klug, atmosphärisch ohne Umwege. Der City-Guide, das gesamte räumliche Ausstellungskonzept – alles stammt aus ihrer Hand. Es ist Gestaltung, die nichts erklärt und doch alles klärt.

Und ja, da viel über das Thema gesprochen werden sollte, gibt es auch Podiumsdiskussionen. Die drei Abende der Reihe sind kleine Vermessungen dessen, was eine Stadt über sich selbst aushält. Der Auftakt, bereits am 20. November, widmet sich der Frage, wie Kunst im öffentlichen Raum funktionieren kann – jenseits der bequemen Behauptung, sie „verschönere“ eine Stadt. Fachleute aus Architektur, Museumsarbeit und Denkmalpflege umkreisen die großen Themen: Raum, Macht, Öffentlichkeit.

Am 26. Februar 2026 folgt der Blick hinaus – formal zum ländlich-hochalpinen Raum, doch eher wie ein kurzer Seitenpfad. Gormleys „Horizon Field“ taucht auf wie ein Echo aus der Höhe, ein Projekt mit Ablaufdatum, das dennoch weiterwirkt. Und gerade dieser Exkurs führt zurück nach Bregenz: Viele Impulse, die alpine Kunstprojekte ermöglichten, sind hier entstanden, in einer Stadt, die früh gelernt hat, mutig zu denken.
Der 6. März 2026 widmet sich der Erinnerungskultur – einem Feld, das Widerstand verlangt, wenn es ernst genommen wird. Historiker und Museumsleute fragen, wie eine Gesellschaft erinnert, ohne zu glätten oder zu vereinnahmen.

Flankiert wird das Programm von drei Citytour-Terminen (21. November, 1. März 2026, 6. März 2026). Unter der Leitung von Karin Fetz wird die Innenstadt zum Leseraum: Fassaden, Plätze, Setzungen – alles wird zur Fußnote einer Stadt, die verstanden werden will. Schulklassen sind ausdrücklich eingeladen, was vielleicht die klarste Ansage dieser Reihe ist: Demokratie beginnt nicht im Seminar, sondern auf der Straße.