Adventliche Chorklänge und Walzerseligkeit

Wiener Sängerknaben im TAK Vaduz: Advent, Strauss und eine klare Handschrift.
Vaduz Es gibt Konzertabende, die einem Raum sofort eine neue Atmosphäre verleihen. Am Dienstagabend im Vaduzer Saal gelang dies den Wiener Sängerknaben mit einer Leichtigkeit, als träte der Advent selbst durch die Türen: klar, ruhig, konzentriert. Unter der Leitung ihres Kapellmeisters Niccolò Morello präsentierte der Schubertchor ein Programm, das dem 200. Geburtstag von Johann Strauss ebenso gewidmet war wie der stillen Zeit vor Weihnachten. Dass diese Mischung funktionierte, lag an der Fähigkeit des Chors, musikalische Tradition mit jugendlichem Zugriff zu verbinden und daraus einen Abend von hoher Klangpräzision zu formen.
Morello, seit März 2025 Leiter des Chors, zählt zu den auffällig profilierten jüngeren Vertretern der europäischen Chorszene. Der aus dem norditalienischen Soave stammende Musiker verbindet italienische Schulung mit Wiener Ausbildung und bringt einen künstlerischen Hintergrund mit, der durch Meisterkurse u. a. bei Andrés Orozco-Estrada geprägt wurde. Seine Biografie erklärt vieles: die Genauigkeit in der Phrasierung, den transparenten Gesamtklang des Ensembles und eine souveräne Führung, die bei einem so jungen Dirigenten nicht selbstverständlich ist.
Die hellen Stimmen zeichneten Linien von großer Klarheit, ohne ins Sentimentale abzugleiten. Morello dirigiert mit offenen Gesten, er gibt Freiraum zur Gestaltung und kontrolliert zugleich die Intonation mit kammermusikalischem Ohr.
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Das Programm reichte vom schlichten Wallfahrtslied über Chorsätze von Mendelssohn Bartholdy und Max Reger bis zu bekannten Strauss-Stücken wie „Sängerlust“ oder „Wiener Blut“, letztere im typischen, exakt geführten Sängerknaben-Stil. Ergänzt wurde das Repertoire durch Werke von Zoltán Kodály sowie durch Ausschnitte aus Brittens Zyklus A Ceremony of Carols, deren klangliche Präzision und textliche Durchdringung das Spannungsverhältnis von mittelalterlichem Text und moderner Tonsprache klar hervortreten ließen. Mit Kim André Arnesens Cradl Hym war auch ein Blick in die musikalische Gegenwart enthalten, rhythmisch pointiert und transparent phrasiert. „An der schönen blauen Donau“ bündelte die Konzentration des Abends, wobei die akustischen Möglichkeiten des Vaduzer Saals differenziert ausgeschöpft wurden.
Morello und die Wiener Sängerknaben gestalteten einen Abend von stilistischer Geschlossenheit. Die Arrangements, klar gesetzt und präzise auf die Stimmfarben der Knaben abgestimmt, ließen die rhythmische Energie der Strauss’schen Musik in neuer Perspektive erscheinen. Wo ein großes Orchester sonst schwelgt, zeichnen die jungen Stimmen filigrane Bögen, mit Präzision und hörbarer Lust an der Bewegung. Kunst und Jugend, Vergangenheit und Gegenwart im Zusammenspiel. Dass die Wiener Sängerknaben zu den bedeutendsten kulturellen Repräsentanten Österreichs zählen, wird oft betont, ein Abend wie dieser zeigt, warum. Sie stehen für eine über 500-jährige Musiktradition und klingen dabei so unmittelbar, dass man eigene Hörgewohnheiten für einen Moment hinter sich lässt.