Ihr alle seid . . .

Leserbriefe / 16.08.2019 • 19:31 Uhr / 2 Minuten Lesezeit

Ich kenne eine Frau, die heute über 90 ist und sich gut erinnert, wie die Kirche in Vorarlberg und in Österreich in ihrer Jugend war. Sie war sehr kirchlich engagiert und kannte auch die wichtigsten Bibelstellen auswendig. Sie wohnte im Rheintal, nicht in einem abgelegenen Dorf. Ihr Ortspfarrer sagte öfters, wenn sie ihm eine Bibelstelle in Erinnerung rief: „Was kannst du mich von der Bibel lehren? Du bist eine Frau, du hast nicht studiert und du bist nicht geweiht.“ Jesus hat seinerzeit ganz anders gesagt: „Ihr alle seid Brüder,“ d. h. ihr alle sollt euch auf Augenhöhe begegnen. Es gibt Unterschiede zwischen euch, aber das sind keine Unterschiede in der Würde oder im Wert. Paulus schreibt im Galaterbrief (Gal. 3,28): Alle Unterschiede, die ihr für wichtig haltet, sind in Christus unter Getauften ohne wesentliche Bedeutung. Des Apostels Formulierung lautet: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau …“ Es schaut so aus, als hätte die katholische Kirche all das bis heute nur halb verstanden. Frauen und Männer haben immer noch nicht die gleichen Rechte, der studierte Theologe kommt sich oft besser vor, als die einfachen Gläubigen. Und der Klerikalismus ist keineswegs verschwunden. Immer noch haben Frauen oder Laien Bischöfen gegenüber wenig zu sagen oder zu entscheiden.

Pfr. Helmut Rohner, Dornbirn

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