Zacken im Getriebe
Weil zu viele Gespräche mit Blicken voller Verzweiflung geendet haben, weil zu viele, die sich ihm anvertrauten, in Elend, Lebensgefahr und Not abgeschoben wurden, sie unbeschreibliche Menschenrechtsverletzungen ertragen mussten, schließt Ronald Frühwirth, einer der erfahrensten Asyl- und Fremdenrechts-Anwälte Österreichs seine Kanzlei in Graz. Er gibt auf, denn er erlebt mittlerweile zu viele Fälle von Menschen, die keinen Zufluchtsort finden können, deren Anspruch auf Gewährung von internationalem Schutz juristisch nicht durchgesetzt werden kann, weil es politisch nicht opportun ist. Dabei sei seine Verbundenheit mit diesem Rechtssystem ins Wanken geraten. Er resigniert, weil er dem unmenschlichen Getriebe nicht einen Zacken schleifen konnte. Gefährliche Ohnmachtsgefühle gegenüber Staatsmacht und einem Rechtsstaat, der kafkaeske Züge zeigt, erleben viele, die sich für Flüchtlinge, für Menschen in unverschuldeter Not einsetzen. Für uns alle wird es gefährlich, wenn das Potenzial an solidarischer Mitmenschlichkeit, an Empathie-Vermögen, das Vertrauen auf alle uns verbindenden Grundrechte schmelzen. Menschenwürde ist unteilbar.
PS: Mit dem Flüchtling, der vor dem Kaufhaus eine Zeitung anbietet, wechseln wir wie immer ein paar Worte. Wie geht‘s? Er zieht den Brief einer Vorarlberger Anwaltskanzlei aus der Tasche. Sein Kontingent sei aufgebraucht. Wenn er weiter vertreten werden wolle, soll er 1800 Euro einzahlen.
Helene und Franz Rüdisser, Schruns
Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.