Moralischer Zeigefinger
Nicht erst seit dem verabscheuungswürdigen Massaker der Hamas gilt es aufzupassen. Selbst die Wahrheit unterliegt inzwischen der Zensur des moralischen Zeigefingers. Wenn es sich der slowakische Philosoph Slavoj Zizek (in seiner Eröffnungsrede zur Frankfurter Buchmesse) erlaubt, die Wahrheit zu sagen, dann ist mediale Entrüstung angesagt. („Shitstrom als Staatsräson“) Selbst Antonio Guterres wird gescholten, wenn er versucht, seiner Aufgabe als UN-Generalsekretär gerecht zu werden. Auch ihm wird unterstellt, seine wahrheitsgemäßen Aussagen seien eine unzulässige Relativierung. Welche Wahrheit und Sichtweise eine zulässige oder unzulässige sei, ob sich jemand (öffentlich) zu distanzieren habe und wenn ja, von wem – oder wer und was unbedingt zu verurteilen sei, oder wer doch eher nicht und ob da gegebenenfalls die halbe Wahrheit reiche, oder ob das auch eine unzulässige Relativierung sei und es doch die ganze Wahrheit brauche, all das und noch viel mehr erklären Experten jeglicher Art, vorwiegend in diversen Talkshows und ähnlichen Formaten. Wer abseits der allgemeinen Entrüstung an einem möglichst objektiven, kompetenten und sachlich stimmigen Bericht zur Lage im Nahen Osten interessiert ist, der sollte die Sendung „Omrie Boehm, lässt sich ohne Hass über Nahost reden?“ (zu finden in der 3sat-Mediathek) nachhören. Erkenntnisgewinn garantiert!
Peter Morstein, Rankweil