Gute Gründe, nicht zu gründen
Selbststständig werden – das ist der Traum von viel zu wenigen Vorarlbergern. Schon Jugendliche haben bei uns eine ganz andere Lebensplanung. Viele, die die schulische bzw. akademische Ausbildung machen, wollen am liebsten im öffentlichen Dienst eine „sichere Stelle“ ergattern. Wer eine Lehre macht, wünscht sich in der Regel, nach der Ausbildung im selben Betrieb weiterbeschäftigt zu werden.
Die Österreicher und im Speziellen die Vorarlberger haben für dieses Sicherheitsdenken natürlich gut begründete Argumente. Zuerst nämlich wird Firmengründern der Geburtsakt eines neuen Unternehmens schwer gemacht.
Die Regierung legt zwar ein Bekenntnis zur Gründung ab, weil neue Unternehmen schlicht notwendig sind, um unserem Standort die Dynamik zu erhalten. Sie hält sich aber mit Zugeständnissen an die „jungen Wilden“ zurück. Dabei sind deren Wünsche gar nicht so groß: Erleichterungen beim Einstellen des ersten Mitarbeiters, einfachere GmbH-Gründung und Betriebsübergabe sowie eine soziale Basisabsicherung. Die Wirtschaftskammer ist in der Gründungsfrage zwiegespalten. Das Gründerservice und die Junge Wirtschaft helfen den jungen Gründern mit wirklich guten Beratungen und Tipps beim Start, in den Fachgruppen regt sich aber aktiver Widerstand, wenn die Branche bei Jungunternehmern zu beliebt werden könnte. Die Altvorderen verteidigen ihre Besitzstände gegen neue Mitbewerber mit alten Argumenten, mit Regeln, die sonst nirgendwo in Europa greifen. Wie man mit Einpersonenunternehmen (EPU) umgehen soll, die schon die Mehrheit der Mitglieder in der Interessenvertretung stellen, ist nach wie vor Inhalt hitziger Diskussionen. Präsident Leitl schätzt sie deshalb, weil er nur so Jahr für Jahr einen Höchststand bei den Unternehmensgründungen verkünden kann. Als Wähler haben die EPU auf jeden Fall nicht das gebracht, was er sich versprochen hat. Sie gehen nämlich meist nicht wählen.
Wenn man trotz aller Vorbehalte der genannten Organisationen dennoch bereit ist, selbstständig ins weitere Berufsleben zu gehen, kommt die nächste Prüfung. Banken vergeben nämlich äußerst ungern Kredite an Menschen, die so verwegen sind, ihren weiteren beruflichen Weg in die eigenen Hände zu nehmen. Ist denn das per se schon unverantwortlich? Die Gründe, nicht zu gründen, sind jedenfalls überzeugend.
Und trotzdem – oder gerade deswegen: Wir müssen jedem dankbar sein, der gründet. Denn nur so gibt es neue Arbeitsplätze und entsprechende Abgaben für Kommune, Land und Staat. Machen wir es den Gründern doch nicht so schwer.
andreas.scalet@vn.vol.at, 05572/501-862
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